Wolodymyr Selenskyj hat die Ukraine in einer eindringlichen Videobotschaft auf einen schwierigen politischen Kurs eingeschworen. Nach Bekanntwerden eines US-Plans zur Beendigung des Krieges, der hohe Gebietsverluste und massive Zugeständnisse an Moskau vorsieht, betonte der ukrainische Präsident, er werde sein Land „nicht verraten“. Die Ukraine stehe nun vor einer Entscheidung, die „sehr schwierig“ werde: „Wir werden entweder unsere Würde verlieren oder einen wichtigen Partner“, sagte er.
Selenskyj kündigte an, eigene „Alternativen“ zu dem US-Plan vorzustellen. Zugleich erinnerte er an die dramatischen ersten Stunden der russischen Invasion im Februar 2022: Damals habe er „die Ukraine nicht verraten – und wir werden es auch jetzt nicht tun“. Nach Angaben aus dem Präsidialamt telefonierte Selenskyj am Freitag mit US-Vizepräsident JD Vance, Details des Gesprächs wurden nicht bekannt.
Der 28-Punkte-Plan Washingtons war am Mittwoch öffentlich geworden und enthält Forderungen, die in Kiew als politisch und moralisch untragbar gelten. Demnach soll die Ukraine weitreichende Gebiete – darunter die Regionen Donezk und Luhansk sowie die Krim – de facto Russland überlassen. Für die Führung in Kiew käme dies einer Kapitulation gleich. Dass die USA einen solchen Vorschlag überhaupt unterbreiten, sorgt in Europa und der Ukraine für Fassungslosigkeit.
OZD
OZD-Kommentar
Die Worte Selenskyjs klingen wie ein letzter Warnruf: Die Ukraine soll wählen zwischen Selbstaufgabe und politischer Isolation. Dass die USA einen Plan vorlegen, der faktisch russische Maximalforderungen erfüllt, ist ein geopolitischer Schock. Wer territoriale Kapitulation als „Friedensplan“ verkauft, ignoriert die historische Dimension dieses Krieges – und spielt Wladimir Putin direkt in die Hände. Ein Frieden, der auf der Aufgabe von Souveränität und Identität beruht, wäre kein Frieden, sondern ein Diktat. Die USA riskieren ihren Ruf als Garant der internationalen Ordnung, und Europa muss sich fragen, wie lange es sich außenpolitisch derart abhängig machen will. Selenskyjs Kampf gilt längst nicht mehr nur Russland, sondern auch dem schwindenden Rückgrat seiner Verbündeten.

Mini-Infobox
28-Punkte-Plan der USA verlangt Gebietsabtretungen
Krim, Luhansk, Donezk sollen „de facto“ russisch bleiben
Selenskyj kündigt Gegenplan an
Gespräch zwischen Selenskyj und US-Vizepräsident Vance
Kiew sieht im US-Vorschlag faktische Kapitulation
OZD-Analyse
OZD-Analyse
Strategische Bedeutung des US-Plans
– Der Vorschlag erfüllt zentrale russische Forderungen und würde die geopolitische Lage in Osteuropa dauerhaft verändern.
– Für die Ukraine wären Gebietsverluste ein politisches und militärisches Trauma.
– Die US-Position zeigt Machtverschiebungen in Washington seit Trumps Amtsantritt.
Politische Risiken für Selenskyj
– a) Innenpolitischer Druck
– Ein nachgiebiger Kurs könnte die ukrainische Gesellschaft spalten.
– b) Außenpolitische Abhängigkeit
– Der Verlust der USA als Partner wäre sicherheitspolitisch dramatisch.
– c) Alternativen
– Selenskyj sucht europäische Optionen, doch Europa ist gespalten.
Folgen für Europa
– Ein US-Rückzug würde Europa zwingen, eine eigene Sicherheitsarchitektur zu schaffen.
– Die russische Führung könnte ein solches Signal als Einladung zur weiteren Eskalation interpretieren.
– Europas Glaubwürdigkeit in der Verteidigung demokratischer Staaten steht auf dem Spiel.

ErklärungenWer ist Wolodymyr Selenskyj?
Wolodymyr Selenskyj ist seit 2019
Präsident der Ukraine. Der frühere Schauspieler wurde während des
russischen Angriffskrieges zur zentralen Figur des ukrainischen
Widerstands. Er steht für einen klaren Kurs Richtung Europa und lehnt
territoriale Zugeständnisse an Russland ab.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
Was ist der US-Friedensplan?
Der bislang unveröffentlichte
28-Punkte-Plan sieht weitreichende Gebietsabtretungen der Ukraine vor.
Er soll einen Waffenstillstand ermöglichen, nimmt aber zentrale
russische Forderungen auf und gilt in Kiew als inakzeptabel.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
Was bedeutet „Gebietsverzicht“ im Völkerrecht?
Territoriale Abtretungen sind
völkerrechtlich heikel. Staaten dürfen nur freiwillig Souveränität
übertragen. Erfolgt dies unter militärischem Druck, gelten solche
Abkommen oft als ungültig oder umstritten.
OZD-Extras
Extra: Historische Parallelen
Friedenspläne, die einseitig Gebietsverluste fordern, scheiterten
historisch häufig – von Korea bis Zypern. Dauerhafte Stabilität entsteht
selten durch erzwungene Grenzverschiebungen.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.