Mit der Unterzeichnung des 144 Seiten starken Koalitionsvertrags im Berliner Gasometer beginnt für Deutschland ein politischer Neubeginn unter Führung von Friedrich Merz (CDU). Die neue Regierung aus Union und SPD will ambitioniert starten – mit einer Agenda, die sowohl wirtschaftliche Dynamik entfalten als auch gesellschaftliche Stabilität sichern soll.
Der Titel des Vertrags, „Verantwortung für Deutschland“, ist programmatisch: In Zeiten geopolitischer Unsicherheit und innenpolitischer Herausforderungen setzt die Koalition auf klare Maßnahmen – etwa durch eine verschärfte Migrationspolitik, Investitionsanreize und eine Reform des Bürgergelds. Gleichzeitig enthält das Papier sozialpolitische Ausgleichselemente, wie sie der SPD wichtig sind: stabile Renten und eine künftige Steuerentlastung für kleine und mittlere Einkommen.
Merz betonte bei der Vertragsunterzeichnung, seine Regierung wolle entschlossen und bürgernah agieren. Damit positioniert sich die Koalition als pragmatisches Bündnis, das aus Gegensätzen Lösungen schaffen will – wie es SPD-Chef Lars Klingbeil formulierte. Dieser übernimmt als Vizekanzler und Finanzminister zentrale Aufgaben, während weitere SPD-Ministerien mit neuen, oft jüngeren Gesichtern besetzt werden. Der angekündigte Generationenwechsel ist mehr als symbolisch: Er soll das Vertrauen zurückgewinnen, das die SPD nach ihrer Wahlniederlage verloren hat.
Markus Söder (CSU) unterstrich die Notwendigkeit, mit Leistung zu überzeugen, während SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken auf den demokratischen Auftrag verwies, der rechten Rhetorik in der Gesellschaft entschlossen entgegenzutreten. Dass sie selbst kein Kabinettsamt übernimmt, könnte als Signal für einen Neuanfang innerhalb der Partei gewertet werden.
Mit der Wahl von Merz zum Kanzler und der Vereidigung des neuen Kabinetts am Dienstag werden die politischen Rollen endgültig neu verteilt. Auch auf Fraktionsebene stehen Veränderungen an: Jens Spahn soll den Vorsitz der Unionsfraktion übernehmen, bei der SPD könnte Matthias Miersch Klingbeils Nachfolge antreten.
Zum Abschied von Olaf Scholz ist am Montagabend ein Großer Zapfenstreich geplant – ein stillvolles Ende einer Ära, bevor am Dienstag eine neue beginnt. Wie tragfähig die Kompromisse dieser Koalition sind, wird sich zeigen – doch der Wille zum Gestalten ist spürbar.
Kabinett Merz – Ministerinnen und Minister im Überblick
CDU
Kanzler: Friedrich Merz
Wirtschaft und Energie: Katherina Reiche
Außen: Johann Wadephul
Gesundheit: Nina Warken
Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Karin Prien
Verkehr: Patrick Schnieder
Digitalisierung und Staatsmodernisierung: Karsten Wildberger (parteilos, von CDU nominiert)
Chef des Bundeskanzleramts / Minister für besondere Aufgaben: Thorsten Frei
SPD
Vizekanzler & Finanzen: Lars Klingbeil
Verteidigung: Boris Pistorius
Arbeit und Soziales: Bärbel Bas
Justiz und Verbraucherschutz: Stefanie Hubig
Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Klimaschutz: Carsten Schneider
Bauen und Wohnen: Verena Hubertz
Entwicklung: Reem Alabali-Radovan
CSU
Inneres: Alexander Dobrindt
Landwirtschaft: Alois Rainer
Forschung, Technologie und Raumfahrt: Dorothee Bär
Koalitionsvertrag: Zentrale Vorhaben
Migrationspolitik: Verschärfung mit Zurückweisungen an den Grenzen
Bürgergeld: Reformierung
Wirtschaft: Investitionsanreize für Unternehmen
Steuern: Geplante Senkung der Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen in etwa zwei Jahren
Rente: Stabilisierung des Rentenniveaus
Finanzierung: Alle Vorhaben stehen unter dem sog.Finanzierungsvorbehalt
Analyse: Balance zwischen Erneuerung und Erfahrung
Das Kabinett Merz vereint erfahrene Politiker und neue Gesichter. Die SPD setzt mit fünf Ministerinnen auf einen Generationenwechsel und mehr Diversität. Die Union bringt mit Katherina Reiche und Karsten Wildberger wirtschaftsnahe Expertise ein. Die CSU besetzt Schlüsselressorts wie Inneres und Landwirtschaft.
Diese Regierung steht vor der Herausforderung, wirtschaftliche Erholung, soziale Gerechtigkeit und Sicherheitsfragen in Einklang zu bringen. Der Erfolg wird maßgeblich von der Zusammenarbeit der Koalitionspartner und der Umsetzung der angekündigten Reformen abhängen.
OZD
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