Bundeskanzler Friedrich Merz hat in seiner Regierungserklärung ein klares Ziel formuliert: Deutschland soll mit einer konventionell aufgerüsteten Bundeswehr zur stärksten Armee Europas werden. Das ist eine markante Ansage – und eine, die Debatten auslösen wird.
Merz’ Argumentation folgt einem klassischen sicherheitspolitischen Narrativ: Abschreckung durch Stärke. Der Satz „Wir müssen uns verteidigen können, damit wir uns nicht verteidigen müssen“ klingt eingängig – doch dahinter steckt ein geopolitischer Realismus, der angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine wieder Konjunktur hat. Es geht nicht mehr um "Frieden schaffen ohne Waffen", sondern um Stärke, um den Frieden zu erhalten.
Kritisch anzumerken ist dabei, dass diese Politik einen erheblichen finanziellen, gesellschaftlichen und ethischen Preis haben wird. Merz verspricht, „alle finanziellen Mittel“ bereitzustellen – das bedeutet milliardenschwere Rüstungsausgaben in Zeiten, in denen Bildung, Infrastruktur und Soziales ebenfalls unterfinanziert sind. Wer entscheidet hier über Prioritäten, und wie wird der gesellschaftliche Konsens dazu hergestellt?
Auch die angekündigte personelle Aufstockung durch einen „attraktiven freiwilligen Wehrdienst“ wirft Fragen auf. Die Attraktivität des Soldatenberufs lässt sich nicht allein durch neue Programme steigern. Es braucht echte Perspektiven, Sicherheit im Dienst und gesellschaftliche Wertschätzung. Sonst bleibt es bei bloßen Rekrutierungsappellen.
Zweifellos fordert die internationale Lage ein Umdenken in der Sicherheitspolitik. Doch Stärke allein schafft noch keine Sicherheit. Es braucht ebenso Dialogbereitschaft, Diplomatie und eine europäische Sicherheitsarchitektur, die mehr ist als nur ein militärischer Schulterschluss. Merz sendet ein starkes Signal – aber die Umsetzung verlangt weit mehr als nur politische Rhetorik.
OZD
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