Ein alter Pipeline-Geist sorgt für neuen politischen Zündstoff: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat mit seinen Aussagen zur Nord-Stream-Infrastruktur eine Welle der Empörung ausgelöst – allen voran bei den Grünen. Kretschmer hatte am Wochenende in einem Interview mit „Zeit Online“ erklärt, man solle über die Pipelines wieder in ein Gespräch mit Russland kommen. Das gehe entweder mit Zwang oder „mit einem positiven Ansatz“.
Grünen-Parteichef Felix Banaszak reagierte in Berlin scharf: „Das ist Opportunismus, der der Lage in diesen Tagen nicht angemessen ist – und ein selbst für Kretschmers Verhältnisse außerordentlich dummdreister Vorschlag.“ Banaszak sieht darin nicht nur einen politischen Fehler, sondern auch eine Gefahr für die außenpolitische Geschlossenheit. Er forderte CDU-Chef Friedrich Merz auf, dieses „Störfeuer“ aus den eigenen Reihen zu unterbinden.
Auch Grünen-Fraktionsvize Julia Verlinden äußerte sich entsetzt: „Es ist unverantwortlich, wie ein Ministerpräsident und stellvertretender CDU-Vorsitzender Deutschlands europäische Sicherheitsinteressen mit Füßen tritt.“ Besonders kritisch sei es, kritische Infrastruktur wie Nord Stream zum politischen Spielball zu machen. Verlinden forderte die Bundesregierung auf, jegliche Inbetriebnahme der Pipelines klar auszuschließen.
Sarkastisch fügte sie hinzu, innerhalb der Union gebe es offenbar eine klare Rollenverteilung: „Kretschmer wirbt für einen neuen Gasdeal mit Russland, Katherina Reiche schafft mit 20 Gigawatt Gaskraftwerken die Nachfrage – und die SPD schaut zu und spricht von ‚offenen Ohren‘ für Autokratenangebote.“
Nord Stream 1 wurde bereits 2022 von Russland abgeschaltet, Nord Stream 2 ging nie in Betrieb. Im September desselben Jahres wurden beide Ostsee-Leitungen bei Explosionen schwer beschädigt – mutmaßlich durch Sabotage. Die Ermittlungen dauern an.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte kürzlich neue Sanktionen gegen die Nutzung der Nord-Stream-Infrastruktur vorgeschlagen, um künftige Gasflüsse aus Russland dauerhaft zu unterbinden.
Kretschmer steht mit seinem Vorstoß nicht allein: Bereits im März hatte CDU-Politiker Thomas Bareiß öffentlich über eine Wiederaufnahme russischer Gaslieferungen nach einem Friedensschluss gesprochen – auch er wurde scharf kritisiert.
OZD
OZD-Kommentar "Was geht da wirklich vor?"
Michael Kretschmer hat offenbar vergessen, worum es in diesem Krieg geht – um die Freiheit Europas, nicht um russisches Erdgas. Wer angesichts russischer Bomben auf ukrainische Städte über eine Wiederaufnahme von Gaslieferungen spricht, bietet nicht „positive Ansätze“, sondern politische Kapitulation. Nord Stream ist nicht nur eine Pipeline – sie ist ein Symbol des Missbrauchs von Energie als Waffe. Kretschmers Vorschlag ist nicht nur naiv, sondern gefährlich. Dass er ausgerechnet als CDU-Vize in diesen Tagen an der außenpolitischen Glaubwürdigkeit Deutschlands sägt, ist ein fatales Signal – nach innen wie nach außen.
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ozd
OZD-Analyse
1. Der Kretschmer-Vorstoß:
a) Kretschmer spricht sich in Interview für neue Gespräche über Nord Stream aus –
b) Ziel: mögliche Wiederaufnahme von russischen Gaslieferungen –
c) Betonung eines „positiven Ansatzes“ gegenüber Russland –
d) Äußerung erfolgt trotz laufender russischer Angriffe auf die Ukraine –
2. Reaktion der Grünen:
a) Parteichef Banaszak nennt Vorschlag „dummdreist“ und „opportunistisch“ –
b) Forderung an CDU-Chef Merz, „Störfeuer“ in der Union zu beenden –
c) Julia Verlinden warnt vor „Verhandlungsspielball kritischer Infrastruktur“ –
d) Spott über vermeintliche „Arbeitsteilung“ zwischen Union und SPD –
3. Hintergrund Nord-Stream-Pipelines:
a) Nord Stream 1 gestoppt, Nord Stream 2 nie in Betrieb –
b) Beide Leitungen 2022 bei Explosionen beschädigt –
c) Ursache bis heute ungeklärt – Ermittlungen laufen –
d) EU will künftige Nutzung durch Sanktionen verhindern –
4. Politische Brisanz:
a) Kretschmer ist stellvertretender CDU-Vorsitzender –
b) Bereits CDU-Politiker Bareiß mit ähnlichem Vorstoß im März –
c) Union intern uneins in energiepolitischer Positionierung zu Russland –
d) Bundesregierung unter Druck, klare Linie zu formulieren –
Der Kauf von Gas aus Russland ist in mehrfacher Hinsicht problematisch – sowohl geopolitisch als auch wirtschaftlich und aus Gründen des Umweltschutzes. Hier sind die wichtigsten Gründe, warum eine Abhängigkeit von russischem Gas vermieden werden sollte:
Aus geopolitischen Gründen
Finanzierung eines aggressiven Staates: Russland nutzt seine Energieexporte als politisches Druckmittel. Einnahmen aus Gasverkäufen fließen in die Staatskasse und ermöglichen es Moskau, seine militärischen Operationen fortzusetzen, insbesondere in der Ukraine. Ein Gasimport wäre somit indirekt eine Unterstützung von Krieg und Destabilisierung.
Erpressung Europas: Russland hat in der Vergangenheit bewiesen, dass es die Gaslieferungen als geopolitische Waffe einsetzt, sei es durch Lieferstopps oder drastische Preiserhöhungen. Dies bringt europäische Staaten in eine abhängige Position, die politische Entscheidungen beeinflussen kann.
Gefährdung der Energiesicherheit: Eine einseitige Abhängigkeit von russischem Gas macht Länder verwundbar. Alternative Energiequellen und Diversifizierung der Lieferanten sind daher essenziell, um diese Verwundbarkeit zu verringern.
Aus wirtschaftlichen Gründen
Unsichere Lieferketten: Russland hat bereits gezeigt, dass es seine vertraglichen Verpflichtungen ignorieren kann, indem es Lieferungen plötzlich stoppt. Langfristige Investitionen in erneuerbare Energien und alternative Anbieter sind wirtschaftlich stabiler.
Hohe Kosten durch politische Unsicherheit: Energiekrisen und plötzliche Lieferstopps aus Russland führen zu extremen Preisschwankungen, die Unternehmen und Haushalte hart treffen. Eine nachhaltige Energiepolitik kann solche Risiken minimieren.
Verpasste Chancen für Innovation: Statt Milliarden in fossile Brennstoffe aus Russland zu investieren, könnten europäische Länder diesen Betrag in den Ausbau erneuerbarer Energien stecken – was langfristig für wirtschaftliches Wachstum und Arbeitsplätze sorgt.
Aus Umweltschutzgründen
Klimaschädliche Produktion: Die Förderung und Nutzung von fossilem Erdgas ist einer der Haupttreiber des Klimawandels. Methan, das dabei entweicht, hat eine deutlich stärkere Treibhauswirkung als CO₂.
Fehlende Nachhaltigkeit: Investitionen in russisches Gas bedeuten eine längere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen anstatt den dringend notwendigen Übergang zu erneuerbaren Energien voranzutreiben.
Umweltschäden durch Förderung und Transport: Die Gasgewinnung in Russland führt zu massiven Umweltzerstörungen, etwa durch Lecks in Pipelines oder die großflächige Abholzung von Wäldern für die Infrastruktur.
Fazit
Gas aus Russland zu kaufen bedeutet, geopolitische Abhängigkeit zu vertiefen, wirtschaftliche Unsicherheit zu fördern und den Klimawandel weiter voranzutreiben. Stattdessen sollte Europa auf erneuerbare Energien und eine strategische Diversifizierung der Energiequellen setzen. Der Fokus muss auf Nachhaltigkeit, Sicherheit und langfristiger wirtschaftlicher Stabilität liegen – nicht auf kurzfristigen Lösungen mit hohem Risiko.
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Wer ist Michael Kretschmer?
Michael Kretschmer
ist seit 2017 Ministerpräsident des Freistaates Sachsen und
stellvertretender Vorsitzender der CDU. Der studierte Elektrotechniker
steht für eine wirtschaftsnahe, oft ostdeutsch geprägte Energiepolitik.
Seine Forderungen nach Dialog mit Russland stoßen regelmäßig auf
Widerspruch – auch innerhalb der eigenen Partei. Kritiker werfen ihm
außenpolitische Naivität und fehlendes Gespür für die geopolitischen
Realitäten vor.
Was ist Nord Stream?
Nord Stream
bezeichnet zwei Ostsee-Pipelines, die russisches Erdgas direkt nach
Deutschland transportieren sollten: Nord Stream 1 ging 2011 in Betrieb,
Nord Stream 2 wurde nie freigegeben. Im September 2022 wurden beide
Pipelines bei Explosionen massiv beschädigt. Seither stehen sie als
Symbol für die energiepolitische Abhängigkeit Europas und den
geopolitischen Missbrauch von Infrastruktur durch Russland.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
Vielen Dank!