Die Pharmaindustrie hat eine juristische Niederlage vor dem höchsten deutschen Gericht hinnehmen müssen: Das Bundesverfassungsgericht hat am Mittwoch zwei Verfassungsbeschwerden gegen zentrale Elemente des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes abgewiesen. Die Maßnahmen zur Regulierung von Medikamentenpreisen seien gerechtfertigt, erklärte das Gericht in Karlsruhe – das Gemeinwohl wiege in diesem Fall schwerer als die wirtschaftliche Freiheit der Unternehmen.
Im Fokus standen zwei Regelungen: der sogenannte Herstellerabschlag, der 2023 einen höheren Rabatt auf Medikamente vorschrieb, sowie die Verlängerung des Preismoratoriums für bestimmte Präparate bis Ende 2026. Beides waren Maßnahmen der früheren Bundesregierung zur Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), die mit steigenden Kosten kämpft.
Die klagenden Pharmaunternehmen sahen sich in ihrer Berufsfreiheit verletzt. Sie argumentierten, dass die Maßnahmen ein zu tiefer Eingriff in ihre unternehmerische Freiheit seien und die Investitionsbedingungen in Deutschland verschlechterten.
Das Bundesverfassungsgericht wies diese Einwände nun mit klaren Worten zurück. Zwar sei ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Pharmafirmen gegeben, doch sei dieser "verfassungsrechtlich gerechtfertigt", da er einem übergeordneten Ziel diene – nämlich der Stabilisierung der Solidargemeinschaft in der GKV. Das Gericht betonte, dass der Gesetzgeber in einer akuten finanziellen Schieflage reagieren dürfe, um eine ausreichende Gesundheitsversorgung für alle Versicherten zu sichern.
Das Urteil dürfte für Politik und Krankenkassen als Signal gewertet werden, dass auch künftig wirtschaftliche Sonderinteressen zurückstehen müssen, wenn die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems auf dem Spiel steht. Die Pharmaindustrie hingegen wird sich auf eine härtere Gangart der Gesetzgeber einstellen müssen.
OZD
OZD-Kommentar
Der Richterspruch aus Karlsruhe ist ein klares Signal: Der Staat darf dort eingreifen, wo private Profitinteressen das öffentliche Gesundheitswesen bedrohen. Die Klage der Pharmaindustrie war nicht nur ein Versuch, wirtschaftliche Interessen durchzusetzen – sie war ein politisches Statement gegen jede Form der solidarischen Regulierung.
Doch das Bundesverfassungsgericht hat die rote Linie gezogen: Das Gemeinwohl hat Vorrang. In Zeiten explodierender Gesundheitskosten und zunehmender sozialer Ungleichheit wäre ein Rückzug des Staates aus der Preisregulierung eine Kapitulation vor der Pharmamacht.
Die Entscheidung stärkt nicht nur die Kassen, sondern auch das Vertrauen in die Verfassung als Bollwerk gegen Marktverselbstständigung. Sie zeigt: Die Gesundheitsversorgung darf nicht dem freien Spiel des Marktes überlassen werden.
Lesermeinungen
„Endlich mal ein Urteil, das nicht die Interessen der Konzerne, sondern der Menschen schützt.“ Gert Niebel
„Die Pharmaindustrie verdient ohnehin genug – es ist richtig, dass der Staat Grenzen setzt.“ Tamara Hochbad
„Was ist mit Forschung und Innovation, wenn Preise eingefroren werden? Das sollte man nicht ignorieren.“ Dony
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Was ist das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz?
Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz ist ein Gesetzespaket zur finanziellen Absicherung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), das 2022 unter Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) beschlossen wurde. Es beinhaltet Maßnahmen wie die Erhöhung des Herstellerabschlags, die Verlängerung des Preismoratoriums für Medikamente und Sonderregelungen zur Beitragserhebung. Ziel ist es, die GKV vor drohenden Finanzlücken zu bewahren und stabile Beiträge für Versicherte zu sichern.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.