Viel Zeit zum Durchatmen bleibt Ann-Katrin Berger nicht. Nur wenige Tage nach dem bitteren EM-Aus der deutschen Fußballerinnen gegen Spanien muss sich die 34-jährige Torhüterin bereits auf den Ligaalltag konzentrieren. „Ich habe nur bis Montag Urlaub, dann spiele ich nächsten Freitag schon wieder in der Liga. Ich versuche, abzuschalten und die schönen Dinge in Erinnerung zu behalten“, sagte sie der Sportschau zufolge.
Bereits am kommenden Freitag steht für Berger der Neustart in der US-Profiliga an: Mit Gotham FC aus New York trifft sie auf die Chicago Red Stars – ausgerechnet das neue Team ihrer DFB-Kollegin Kathrin Hendrich. Berger kehrt damit in einen Alltag zurück, der keine Rücksicht auf das EM-Drama nimmt. Ihr Klub belegt aktuell nach 13 Spielen nur den achten Platz.
Doch bevor es sportlich weitergeht, steht für Berger noch ein emotionaler Moment an: Ihre Verlobte, die englische Nationalspielerin Jessica Carter, kämpft am Sonntag mit Titelverteidiger England im EM-Finale gegen Spanien um die Krone. Ein Endspiel, das auch für Berger ein Stich ins Herz sein dürfte – hatte sie doch mit starken Leistungen die DFB-Elf lange im Turnier gehalten, ehe ihr ein Fehler beim Gegentor zum Verhängnis wurde.
Während Berger schnell zurück ins Geschehen muss, steht für viele ihrer Teamkolleginnen erst einmal Erholung an. Am 30. August folgt der deutsche Supercup zwischen dem FC Bayern und dem VfL Wolfsburg in Karlsruhe, eine Woche später beginnt die Bundesliga mit dem Eröffnungsspiel in der Münchner Allianz Arena gegen Bayer Leverkusen.
Im Oktober folgt dann der nächste große Prüfstein für das DFB-Team: In der Nations League trifft die Auswahl von Christian Wück im Halbfinale auf Frankreich – den Viertelfinalgegner dieser EM. Ein schnelles Wiedersehen mit vielen Erinnerungen. ozd
OZD-Kommentar:
Dass Ann-Katrin Berger schon eine Woche nach dem EM-Aus wieder auf dem Platz stehen muss, zeigt brutal, wie wenig Raum im Profisport für Emotionen und Verarbeitung bleibt. Während ihre Mannschaftskolleginnen noch mit Enttäuschung, Analyse und vielleicht sogar Tränen beschäftigt sind, verlangt der Alltag im US-Fußball volle Konzentration – ohne Rücksicht auf Verluste.
Dass Berger die Schuld für das Ausscheiden öffentlich auf sich nahm, zeugt von Größe. Dass sie sich nun ohne Pause wieder in den Trubel stürzt, zeigt aber auch, wie wenig Fürsorge Strukturen im internationalen Frauenfußball oft bieten. Gotham FC braucht sie – doch braucht sie nicht auch erst einmal Zeit für sich?
Die deutsche Nummer eins muss funktionieren, während andere noch verschnaufen. Das ist nicht nur sportlich herausfordernd – es ist auch menschlich grenzwertig. Bleibt zu hoffen, dass Berger nicht nur auf dem Platz Stärke zeigt, sondern sich auch die Auszeit nimmt, die sie verdient.
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Lesermeinungen:
„Berger ist eine Kämpferin – Respekt, dass sie so schnell weitermacht!“ Rüdiger B.
„Kaum zu glauben, dass es keine Pause für Nationalspielerinnen gibt. Traurig!“ Deni
„Ich hoffe, sie macht sich keinen zu großen Druck. Fehler gehören zum Sport dazu.“ sowas
OZD-Analyse
1. Bergers Rückkehr in den Spielbetrieb
Nur sechs Tage nach dem EM-Aus kehrt Berger zum US-Klub Gotham FC zurück – ein extrem kurzer Erholungszeitraum. – Die körperliche Belastung ist hoch, die mentale womöglich noch größer. – Ihre schnelle Rückkehr verdeutlicht, wie eng getaktet der internationale Frauenfußball ist.
2. Emotionale Belastung nach der EM
Berger übernahm öffentlich die Verantwortung für das Gegentor im Halbfinale. – Trainer Wück nahm sie in Schutz, doch der Druck aus Medien und Öffentlichkeit bleibt. – Auch das Finale, in dem ihre Verlobte Jessica Carter spielt, dürfte für sie emotional schwer sein.
3. Der nächste Zyklus beginnt bereits
Nach der US-Liga folgen der Supercup (30. August) und Bundesliga-Auftakt (6. September). – Champions-League-Qualifikation und Nations-League-Halbfinale im Oktober sorgen für wenig Pausen. – Der Frauenfußball wird professioneller – doch reicht die Betreuung der Spielerinnen mit?
Wer ist Ann-Katrin Berger?
Ann-Katrin Berger ist die Stammtorhüterin der deutschen Fußball-Nationalmannschaft und spielt aktuell in der US-Profiliga NWSL bei Gotham FC. Die gebürtige Ulmerin begann ihre Karriere beim VfL Sindelfingen und spielte später unter anderem für PSG, Birmingham City und den FC Chelsea. Berger überstand eine Krebserkrankung, kehrte eindrucksvoll zurück und wurde mehrfach zur besten Torhüterin ausgezeichnet. Ihre mutige Persönlichkeit macht sie auch abseits des Rasens zu einer Vorbildfigur im deutschen und internationalen Frauenfußball.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
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