Zum Inhalt springen
OZD.news - News und Nachrichten zum Nachschlagen
QR-Code zu www.online-zeitung-deutschland.de

Merz zu US-Zöllen: Wirtschaftspolitisches Einknicken im transatlantischen Schatten (Kommentar)

Die von Friedrich Merz mitverhandelte Zoll-Einigung mit den USA trägt unverkennbar die Handschrift Donald Trumps – zu Lasten Europas. Dass Merz das Ergebnis „nicht zufriedenstellend“ nennt, ist diplomatisch formuliert. Tatsächlich ist es eine wirtschaftspolitische Niederlage mit Ansage.

Friedrich Merz gibt sich am Montagnachmittag betont nüchtern: Die deutsche Wirtschaft werde durch die neuen US-Zölle „erheblichen Schaden“ nehmen, sagt der Kanzler – um dann in fast beiläufigem Ton zu ergänzen, dies sei dennoch „das Beste, was zu erreichen war“. Das klingt nicht nach einer Regierung, die für die Interessen der eigenen Wirtschaft kämpft. Das klingt nach kleinlauter Kapitulation.

Was am Sonntag als vermeintlicher Durchbruch im transatlantischen Zollstreit verkauft wurde, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als einseitiger Deal zu Gunsten der USA. Die EU muss nicht nur 15 Prozent Zoll auf viele ihrer Produkte hinnehmen – ein drastischer Anstieg –, sondern verpflichtet sich auch noch zum verstärkten Import von US-Flüssigerdgas und zur Förderung von Investitionen europäischer Firmen in den Vereinigten Staaten. Die wirtschaftliche Logik? Fragwürdig. Die politische Signalwirkung? Verheerend.

Statt einer partnerschaftlichen Lösung erleben wir eine Fortsetzung von Trumps ökonomischem Nationalismus mit leicht gedämpfter Lautstärke. Der eigentliche politische Skandal liegt jedoch in der europapolitischen Reaktion darauf – oder besser: ihrem Ausbleiben. Während Trump klare Interessenpolitik für die US-Wirtschaft betreibt, beschränkt sich die EU, mit Deutschland als größter Wirtschaftsmacht, auf Schadensbegrenzung. Es wurde nicht verhandelt, sondern reagiert – aus einer Position struktureller Schwäche.

Dass Kanzler Merz nun einräumt, das Ergebnis sei „nicht zufriedenstellend“, ist richtig – aber zu spät. Denn im Vorfeld wurden zu wenige rote Linien definiert, zu wenig europäische Einigkeit demonstriert, zu wenig öffentliche Debatte geführt. Der wirtschaftspolitische Realismus des neuen Kanzlers offenbart dabei eine unbequeme Wahrheit: Die EU ist nach wie vor zu zersplittert, um in Verhandlungen mit aggressiver Wirtschaftsmacht souverän aufzutreten.

Die deutsche Industrie, besonders der Maschinenbau, der Automobilsektor und die Chemiebranche, werden die Folgen bald spüren – nicht nur in der Exportbilanz, sondern in Form von Unsicherheit, Preisdruck und Marktverdrängung. Die Zölle sind kein Sturm im transatlantischen Wasserglas, sie sind Teil einer systematischen US-Strategie zur Renationalisierung von Produktion – auf Kosten Europas.

Merz und seine Wirtschaftsminister stehen nun in der Verantwortung, diese Zwangslage nicht schönzureden, sondern politische Konsequenzen zu ziehen: mit einer deutlich ambitionierteren europäischen Industriepolitik, mit mehr Eigenständigkeit in der Energieversorgung, mit einer gemeinsamen Außenhandelsstrategie. Die EU darf nicht dauerhaft als Juniorpartner im geopolitischen Wirtschaftsgefüge auftreten.

Was jetzt beschlossen wurde, war ein fauler Kompromiss unter Druck. Dass Friedrich Merz ihn mit einem Achselzucken hinnimmt, ist symptomatisch für eine deutsche Wirtschaftspolitik, die sich an transatlantische Fakten anpasst, anstatt sie mitzugestalten.

OZD


Alle Angaben ohne Gewähr.
Bild: dpa/AFP