Mit der Verdopplung der US-Zölle auf Ölimporte aus Indien auf 50 Prozent geht US-Präsident Donald Trump einen harten Schritt im geopolitischen Ringen um den Ukrainekrieg – aber auch ein riskantes Spiel mit einem der wichtigsten Partner Amerikas im indopazifischen Raum. Die Maßnahme ist Teil seiner angekündigten Sekundärsanktionen, mit denen er Länder bestrafen will, die trotz des russischen Angriffskriegs weiterhin mit Moskau Handel treiben.
Indien trifft es nun als erstes – und besonders hart. Die neuen Zölle gelten ab Donnerstag, der 25-Prozent-Zusatzzoll auf Rohöl soll drei Wochen später greifen. Begründet wird dies mit US-Sicherheitsinteressen: Russisches Öl, so Trump, finanziere den „brutalen Krieg“ gegen die Ukraine. Das Präsidialdekret spricht von einer „außerordentlichen Bedrohung für die nationale Sicherheit“.
Doch die Maßnahme wirft Fragen auf – sowohl zur Zielgenauigkeit als auch zur strategischen Weitsicht.
Ein fatales Signal an Neu Delhi
Indien reagierte empört. Die Regierung in Neu Delhi verurteilte die Strafzölle als „unfair und unangemessen“. Und das nicht ohne Grund: Seit dem Beginn des Ukrainekriegs ist Indien zum zweitgrößten Abnehmer russischen Öls nach China geworden – aus rein wirtschaftlichen Motiven. Rund 36 Prozent der indischen Ölimporte kamen zuletzt aus Russland – ein enormer Anstieg gegenüber zwei Prozent vor Kriegsbeginn. Für ein Land mit 1,4 Milliarden Menschen ist die Energieversorgung nicht nur eine Preisfrage, sondern auch eine soziale Stabilitätsfrage.
Die Zölle treffen also nicht die russischen Profiteure direkt, sondern gefährden indirekt Indiens Binnenwirtschaft, Inflation und Energiesicherheit. Das ist nicht nur ökonomisch fragwürdig, sondern auch diplomatisch riskant. Indien ist ein zentraler Partner der USA in der Indopazifik-Strategie zur Eindämmung Chinas. Trump aber riskiert mit dieser Maßnahme eine strategische Entfremdung – und öffnet damit womöglich ein Fenster für eine Annäherung Indiens an Russland oder sogar China.
Sanktionspolitik ohne Strategie
Trump hatte bereits vor Wochen mit Zöllen von „bis zu 100 Prozent“ gegen Länder gedroht, die weiterhin mit Russland Geschäfte machen. Doch dass nun nur Indien sanktioniert wird – während China, Brasilien und sogar EU-Staaten wie Ungarn oder Österreich bislang verschont bleiben –, wirkt willkürlich. Warum dieser Alleingang? Warum diese Asymmetrie?
Zudem fehlt weiterhin ein konsequenter Sanktionsansatz gegen Russland selbst. Trumps bisherige Linie besteht aus einem Ultimatum und maximalem Druck auf Drittländer – aber nicht auf den eigentlichen Aggressor. Zwar verhandelt der US-Kongress derzeit über ein Sanktionsgesetz mit Zöllen bis zu 500 Prozent, das parteiübergreifende Unterstützung findet. Doch Trump hat sich dazu noch nicht klar positioniert.
Er überlässt seinem Sondergesandten Steve Witkoff das Feld, der sich zuletzt zum fünften Mal mit Putin traf – Gespräche, die vom Kreml als „konstruktiv“ bezeichnet wurden, aber ohne erkennbare Ergebnisse blieben. Diese diplomatische Parallelspur ist wenig transparent und kaum abgestimmt mit den Verbündeten.
Fazit: Symbolpolitik mit Nebenwirkungen
Die Strafzölle gegen Indien mögen innenpolitisch populär wirken – als entschlossene Antwort auf Russlands Krieg. Doch außenpolitisch ist dieser Schritt kurzsichtig und kontraproduktiv. Trump riskiert damit nicht nur die Beziehungen zu einem der wichtigsten US-Partner, sondern auch die Kohärenz der westlichen Russland-Politik insgesamt.
Hintergrund – Was sind Sekundärsanktionen?
Sekundärsanktionen richten sich nicht gegen das sanktionierte Land selbst (in diesem Fall Russland), sondern gegen Drittstaaten, die dessen Wirtschaft indirekt stützen – etwa durch Energieimporte oder Finanztransaktionen. Ziel ist es, den globalen Handlungsspielraum des sanktionierten Landes einzuschränken. In der Praxis sind sie jedoch politisch heikel, weil sie oft Verbündete treffen und als extraterritoriale Machtausübung der USA kritisiert werden.
OZD
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