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Das unglaubliche geschieht - Das Finanzamt macht ihre Steuererklärung

In Kassel startet ein Pilotprojekt: Das Finanzamt erstellt für rund 6000 Bürger automatisch die Steuererklärung. Wer keinen Einspruch einlegt, bekommt direkt den Steuerbescheid.

Für viele ist sie ein jährlicher Albtraum – nun will Hessen die Steuererklärung für Arbeitnehmer radikal vereinfachen. In Kassel startet Ende August ein Pilotprojekt, bei dem das Finanzamt die Einkommensteuererklärung für rund 6000 ausgewählte Bürgerinnen und Bürger selbst erstellt. Sie erhalten einen fertigen Vorschlag, den sie nur noch prüfen müssen. Bleibt ein Einspruch innerhalb von vier Wochen aus, folgt automatisch der Steuerbescheid für das Jahr 2024.

Eine Steuererklärung lohnt sich für Arbeitnehmer fast immer: Im Schnitt gibt es rund 1100 Euro zurück. Die Abgabefrist für Pflichtveranlagte ohne Steuerberater oder Lohnsteuerhilfeverein endete bereits am 31. Juli. Wer sie verpasst hat, bekommt nun statt einer Mahnung den fertigen Vorschlag aus dem Finanzamt. Zusätzliche Ausgaben können innerhalb der Frist über das Elster-Portal angegeben werden, bevor der Bescheid verschickt wird.

Das Ministerium betont: Enthält der Vorschlag nicht alle Einkünfte, bleibt die Pflicht zur Abgabe einer eigenen Steuererklärung bestehen. Hintergrund ist, dass den Finanzämtern durch gesetzliche Meldepflichten bereits umfangreiche Daten vorliegen – etwa zu Löhnen, Renten oder Versicherungen. Viele Bürger wunderten sich bislang, warum sie diese Informationen trotzdem selbst angeben müssen.

Nach Abschluss des Modellversuchs soll das Verfahren landesweit eingeführt werden – für alle, deren Steuerdaten vollständig vorliegen. Kassel sei als Standort mit der höchsten Zahl an Arbeitnehmerveranlagungen in Hessen ideal, um belastbare Ergebnisse zu gewinnen, erklärte das Ministerium.

Finanzminister Alexander Lorz (CDU) sieht Vorteile für beide Seiten: Die Bürger sparten Zeit und Aufwand, die Verwaltung steigere ihre Effizienz und könne Ressourcen besser einsetzen. Unterstützung kommt von der Deutschen Steuergewerkschaft. Ihr Vorsitzender Florian Köbler forderte, die Steuererklärung für Arbeitnehmer komplett abzuschaffen – in diesem Bereich gebe es kaum Potenzial für Betrug oder Mehreinnahmen. Angesichts des Fachkräftemangels müsse die Steuerverwaltung schon 2030 mit einem Drittel weniger Personal auskommen.

OZD 


OZD-Kommentar:
Was in Kassel beginnt, könnte das Aus für die klassische Arbeitnehmersteuererklärung bedeuten. Endlich nutzt die Verwaltung konsequent die Daten, die sie ohnehin längst hat – und macht sich damit selbst effizienter. Der Schritt ist überfällig, denn für Millionen Menschen ist die jährliche Abgabe ein bürokratisches Ritual ohne Mehrwert. Kritiker könnten den Datenschutz ins Feld führen, doch der Staat verfügt schon heute über all diese Informationen. Bleibt die Frage: Wird Hessen zum Vorreiter für eine bundesweite Steuervereinfachung oder versandet das Projekt im Klein-Klein der föderalen Zuständigkeiten? Wenn der Test gelingt, dürfte der politische Druck auf andere Länder massiv steigen.


OZD-Analyse:

Ziele des Pilotprojekts
a) Bürokratieabbau und Zeitersparnis für Bürger.
b) Effizienzsteigerung in der Verwaltung.
c) Reduzierung des Personalbedarfs angesichts Fachkräftemangels.

Ablauf in der Praxis
a) Versand eines Steuer-Vorschlags an Bürger.
b) Vier Wochen Frist für Prüfung und Ergänzungen über Elster.
c) Automatische Bescheid-Erstellung bei Zustimmung.

Chancen und Risiken
a) Vereinfachung und hohe Akzeptanz möglich.
b) Gefahr unvollständiger Daten bei komplexeren Fällen.
c) Datenschutzdebatten und Akzeptanzprobleme bei Skeptikern.


Was ist Elster?
Elster ist das offizielle Online-Portal der deutschen Steuerverwaltung zur elektronischen Abgabe von Steuererklärungen und Steueranmeldungen. Es ermöglicht Bürgern, Unternehmen und Steuerberatern, ihre Daten sicher digital an das Finanzamt zu übermitteln. Das System bietet zahlreiche Vordrucke, Berechnungsfunktionen und direkte Kommunikationswege mit der Steuerverwaltung.

Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.