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Wird der Sozialstaat zwischen Union und SPD zerrieben?

Union und SPD streiten erbittert über die Zukunft des Sozialstaats. Während die Union beim Bürgergeld kürzen will, fordert die SPD gerechte Reformen – und bringt sogar höhere Erbschaftsteuern ins Spiel.

Die Gräben in der Sozialpolitik werden tiefer: CDU und CSU verschärfen den Druck auf die Bundesregierung, während die SPD versucht, ihre Linie zwischen Reformbereitschaft und Gerechtigkeitsanspruch zu halten. Besonders das Bürgergeld steht im Zentrum der Debatte.

Unions-Fraktionschef Jens Spahn kündigte in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung Einsparungen von „mehr als zehn Prozent“ an – deutlich mehr, als Bundeskanzler Friedrich Merz bisher gefordert hatte. Auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderte eine „Agenda 2030“, angelehnt an Schröders umstrittene „Agenda 2010“. „Ich möchte einen Paradigmenwechsel im Sozialsystem“, sagte er und verlangte sogar, Bürgergeld komplett zu streichen, wenn Menschen Arbeit verweigern.

Auch Kanzleramtschef Thorsten Frei wandte sich gegen Steuererhöhungen, weil diese seiner Ansicht nach vor allem mittelständische Unternehmen belasten würden. Junge-Union-Chef Johannes Winkel wiederum verlangte einen rigorosen „Kahlschlag im aufgeblähten Sozialstaat“ und forderte Merz auf, gegenüber der SPD „Führung zu zeigen“.

SPD-Chefin Bärbel Bas reagierte scharf: Das Bundesverfassungsgericht habe klar festgelegt, dass „das Existenzminimum immer gewährleistet werden muss“. Gleichzeitig wolle die SPD Mitwirkungspflichten verschärfen, um mehr Menschen in Arbeit zu bringen. Parteichef Lars Klingbeil betonte, die SPD sei „nicht die Partei des Status Quo“, sondern bereit für „positive Veränderungen“.

Unterstützung kam von Juso-Chef Philipp Türmer, der eine stärkere Besteuerung großer Erbschaften forderte. „Statt Sozialkürzungen müssen die Privilegien der Reichen fallen“, sagte er. Grünen-Chef Felix Banaszak warf der Union vor, die SPD mit „Profilierungsforderungen“ wie der Agenda 2030 bewusst zu reizen, statt echte Lösungen zu präsentieren.

Der Streit um den Sozialstaat könnte damit zum Lackmustest für das schwarz-rote Regierungsbündnis werden. Reformen sind unausweichlich – doch die Frage, ob es Kürzungen oder gerechtere Umverteilungen geben wird, droht das Bündnis auf eine harte Probe zu stellen.

OZD


OZD-Kommentar

Die Union fährt die Brechstange, die SPD appelliert an Gerechtigkeit – doch am Ende droht ein fauler Kompromiss. Kürzungen beim Bürgergeld würden die Schwächsten treffen, während Erbschaftssteuern politisch schwer durchsetzbar sind. Prognose: Der Herbst bringt keine „Agenda 2030“, sondern endlose Verhandlungen, die den Sozialstaat eher lähmen als erneuern. Der Reformstau wächst, während das Vertrauen der Bürger weiter bröckelt.





Lesermeinungen

„Es ist beschämend, wie die Politik über Bedürftige spricht – als seien sie Kostenfaktoren und nicht Menschen.“ – Sabine Krämer, Hamburg
„Ich finde es richtig, dass die SPD auf gerechte Verteilung pocht. Nur Kürzungen reichen nicht aus.“ – Thomas Berger, Köln
„Die Union hat Recht: Der Sozialstaat ist zu teuer geworden. Wer arbeiten kann, muss auch arbeiten.“ – Petra Lindner, München


OZD-Lernen

Mini-Infobox – Fakten zur Sozialstaatsdebatte
– Bürgergeld: Seit 2023 Nachfolger von Hartz IV, aktuell rund 5,5 Mio. Empfänger
– Beitragsbemessungsgrenzen: Festgelegt nach Lohnentwicklung, bestimmen Höhe der Sozialabgaben
– Agenda 2010: Reformprogramm von Ex-Kanzler Schröder, führte zu mehr Arbeitsanreizen, aber auch zu wachsender Armut
– Erbschaftsteuer: Bringt dem Staat jährlich rund 10 Mrd. Euro, wird vor allem auf große Vermögen erhoben



OZD-Analyse

Union auf Konfrontationskurs
a) Forderungen nach Kürzungen beim Bürgergeld dienen der Profilierung.
b) Die Idee einer „Agenda 2030“ soll Stärke demonstrieren, birgt aber sozialen Sprengstoff.

SPD zwischen Anpassung und Profil
a) Reformbereitschaft ist vorhanden, aber an das Existenzminimum gebunden.
b) Forderung nach höheren Erbschaftsteuern setzt Kontrapunkt, droht aber an Widerstand zu scheitern.

Koalition unter Druck
a) CDU/CSU treiben den Takt, SPD versucht Schadensbegrenzung.
b) Koalitionsklima verschlechtert sich – vor allem, wenn Kürzungen durchgedrückt werden.

Prognose: Es wird eine symbolische Reform geben – etwa Verschärfungen beim Bürgergeld und kosmetische Maßnahmen bei Steuern. Eine echte Neuaufstellung des Sozialstaats bleibt aus.

Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.