Ein seltenes Bild inmitten wachsender Spannungen zwischen Moskau und der Nato: Auf Einladung von Belarus beobachteten am Montag US-Militärvertreter das gemeinsame Manöver „Sapad-2025“ in der Stadt Baryssau bei Minsk. Verteidigungsminister Viktor Chrenin begrüßte den US-Militärattaché Bryan Shoupe persönlich und sprach von den „besten Aussichtsplätzen“.
Der Besuch gilt als diplomatische Besonderheit, denn seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine 2022 waren Beobachter aus den USA kaum noch bei Übungen russischer Partner zu sehen. Neben Washington entsandten auch 22 andere Staaten Beobachter, darunter die Nato-Mitglieder Türkei und Ungarn.
Während Journalisten zu einer choreographierten Schau eingeladen wurden, blieben ihnen Übungen in der Ostsee, der Barentssee sowie nahe der polnischen Grenze verwehrt. Nach offiziellen Angaben beteiligen sich rund 7000 Soldaten, davon 1000 aus Russland.
Die Nato erklärte, von „Sapad-2025“ gehe keine unmittelbare militärische Bedrohung aus, dennoch werde das Manöver genau überwacht. Vor allem Polen, Litauen und Lettland reagierten angespannt. Polen ordnete sogar die vollständige Schließung seiner Grenze zu Belarus an. Außenminister Radoslaw Sikorski erklärte, Sicherheit habe Vorrang vor Handel. Betroffen ist auch eine zentrale Bahnstrecke für chinesische Exporte nach Europa.
Die Nervosität in Osteuropa wird durch jüngste Luftraumverletzungen verstärkt: Russische Drohnen waren in polnisches und rumänisches Gebiet eingedrungen, was die Sorge vor gezielten Provokationen weiter schürt.
OZD
OZD-Kommentar
Dass US-Offiziere in Minsk an den Tribünen sitzen, ist mehr als nur Symbolik. Es ist ein Balanceakt zwischen Misstrauen und diplomatischem Signal, das jedoch kaum die massiven Zweifel an Russlands Absichten zerstreut. Polen reagiert mit Grenzschließung – ein Schritt, der wirtschaftlich schmerzt, aber sicherheitspolitisch logisch erscheint. Während Belarus versucht, mit choreographierten Schaubildern Normalität zu inszenieren, bleibt die Botschaft eindeutig: Jede Bewegung an der Nato-Ostflanke wird als Test verstanden. Wer glaubt, „Sapad-2025“ sei harmlos, verkennt die Sprengkraft, die schon kleine Provokationen in dieser Region entfalten können.
Lesermeinungen
„Ein cleverer Schachzug von Belarus, US-Militärs einzuladen – aber das nimmt den Übungen nicht ihren bedrohlichen Charakter.“ (Klaus W., Berlin)
„Polen hat völlig recht, die Grenze zu schließen. Sicherheit geht vor wirtschaftliche Interessen.“ (Anna M., Warschau)
„Das erinnert fatal an die Manöverzeiten des Kalten Krieges – nur dass heute Drohnen und Cyberkrieg dazugehören.“ (James H., London)
OZD-Analyse
Symbolik der US-Teilnahme
– Einladung von Shoupe als Versuch, Minsk diplomatische Offenheit zu attestieren.
– Beobachterrollen sollen Transparenz signalisieren, wirken jedoch inszeniert.
Reaktionen der Nato-Staaten
a) Offizielle Einstufung: keine direkte Bedrohung, dennoch erhöhte Wachsamkeit.
b) Sicherheitsmaßnahmen Polens, Litauens und Lettlands zeigen tiefes Misstrauen.
– Grenzschließung Polens trifft auch Handelsrouten Chinas nach Europa.
Strategische Dimension
– „Sapad-2025“ testet Nato-Reaktionen und dient Moskau zur Machtdemonstration.
– Gezielte Luftraumverletzungen erhöhen Eskalationsrisiken.
– Belarus profitiert als Bühne für internationale Aufmerksamkeit und Druckmittel gegen die EU.
OZD-Erklärungen
Was ist „Sapad“?
„Sapad“ (russisch für „Westen“) ist ein großangelegtes Militärmanöver Russlands und Belarus, das traditionell alle vier Jahre stattfindet. Es gilt als Testlauf für mögliche Szenarien an der Nato-Ostflanke und steht seit Jahren im Fokus westlicher Geheimdienste.
Wer ist Viktor Chrenin?
Viktor Chrenin ist seit 2020 Verteidigungsminister von Belarus. Er gilt als enger Vertrauter von Präsident Alexander Lukaschenko und setzt auf enge militärische Kooperation mit Russland.
Was ist die Suwalki-Lücke?
Die Suwalki-Lücke ist ein rund 65 Kilometer breiter Korridor zwischen Polen und Litauen. Er verbindet das Baltikum mit dem restlichen Nato-Gebiet und gilt als strategische Schwachstelle – im Konfliktfall wäre er ein mögliches Ziel russischer Angriffe.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.