Friedrich Merz hat bei seinem ersten offiziellen Besuch in Madrid die Differenzen mit Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez offen eingeräumt. „Es ist kein Geheimnis, dass wir teilweise unterschiedlicher Auffassung sind“, sagte der Bundeskanzler am Donnerstagabend im Regierungssitz Moncloa. Während Sánchez Israels Militäreinsatz im Gazastreifen als „Völkermord“ verurteilt und bereits einen Palästinenserstaat anerkannt hat, lehnt Merz einen solchen Schritt vorerst ab. Eine Anerkennung sei „einer der letzten Schritte“ einer Zweistaatenlösung und stehe „nicht zur Debatte“.
Merz betonte zugleich Deutschlands historische Verantwortung und unterstrich: „Wir stehen auf der Seite Israels.“ Kritik an der israelischen Regierung sei legitim, dürfe aber nicht in Judenfeindlichkeit umschlagen. Sánchez hingegen lobte pro-palästinensische Demonstranten und warnte, Israel sorge mit seiner Strategie selbst für größere Unsicherheit.
Auch in der Verteidigungspolitik blieben Spannungen nicht verborgen. Merz mahnte höhere Militärausgaben an, während Spanien im Vorjahr NATO-Schlusslicht war. Zwar will Madrid 2025 das Zwei-Prozent-Ziel erreichen, doch stemmt sich Sánchez gegen ein Fünf-Prozent-Ziel. Beim gemeinsamen Kampfjet-Projekt FCAS übten beide Regierungschefs Druck aus: „Es kann nicht so weitergehen wie gegenwärtig“, so Merz.
Neben geopolitischen Fragen sprach der Kanzler auch über persönliche Erinnerungen: Als Kind habe er oft im spanischen Cullera Urlaub gemacht, erzählte er. Am Freitag steht für Merz ein Treffen mit Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo auf dem Programm.
OZD
OZD-Kommentar
Der Besuch von Friedrich Merz in Madrid zeigt, wie zerstritten Europa in
der Nahostfrage ist. Spanien präsentiert sich als lautester Kritiker
Israels, Deutschland bleibt – trotz wachsender Zweifel – auf der Seite
Jerusalems. Dass Sánchez von „Völkermord“ spricht, während Merz sich
strikt davon distanziert, offenbart tiefe Gräben in der EU. Der Kanzler
wirkt bemüht, Haltung zu zeigen, doch sein kategorisches Nein zur
Anerkennung Palästinas lässt ihn unflexibel erscheinen. Gleichzeitig
schiebt er die Verantwortung auf die deutsche Geschichte – ein Argument,
das im Ausland zunehmend auf taube Ohren stößt. Die Wahrheit ist:
Solange Europa in dieser zentralen Frage gespalten bleibt, verliert es
außenpolitisch an Gewicht. Für Merz war Madrid daher weniger ein
Antrittsbesuch als vielmehr eine Lektion in europäischer Ohnmacht.
OZD-Analyse
Gaza-Krieg als Zankapfel zwischen Berlin und Madrid
– Sánchez: Anerkennung Palästinas, harte Kritik an Israel
– Merz: historische Verantwortung, Nein zu vorschnellen Schritten
– Grundkonflikt: Menschenrechte vs. Staatsräson
Verteidigungspolitik als zweites Streitthema
– Spanien weiterhin NATO-Schlusslicht bei Ausgaben
– Merz drängt auf höhere Beiträge und Fortschritte beim FCAS
– Differenzen über das neue Fünf-Prozent-Ziel
Symbolik des Besuchs
– Merz versucht, Nähe durch persönliche Erinnerungen aufzubauen
– Sánchez nutzt Bühne für eigene außenpolitische Botschaften
– Ergebnis: Gemeinsame Positionen bleiben vage
Mini-Infobox: Streitpunkte Merz–Sánchez
Gaza-Krieg: Spanien spricht von „Völkermord“, Deutschland lehnt dies ab
Palästina: Spanien hat anerkannt, Deutschland schließt Anerkennung aus
NATO-Ausgaben: Deutschland fordert mehr, Spanien bleibt zurückhaltend
FCAS-Kampfjet: Stillstand – beide pochen auf Fortschritte bis Jahresende
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.