Alkoholkonsum ist in Deutschland Alltag – und für viele ein Risiko. Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat am Mittwoch in Berlin eine neue Studie vorgestellt, die das ganze Ausmaß deutlich macht: Ein Drittel der Bevölkerung trinkt so viel, dass die Gesundheit gefährdet ist.
Die Zahlen sind erschreckend. 44,2 Prozent der Männer sind durch ihren Konsum einem moderaten oder hohen Risiko ausgesetzt, bei Frauen sind es 21,4 Prozent. Von einem moderaten Risiko spricht das RKI ab drei bis sechs Getränken pro Woche. Ab sieben Getränken steigt das Risiko hoch. Schon ein bis zwei Getränke pro Woche gelten als geringes Risiko – risikofrei ist nur der völlige Verzicht.
Doch Verzicht ist die Ausnahme: Nur 21,2 Prozent der Deutschen trinken gar keinen Alkohol – 16,7 Prozent der Männer, 25,3 Prozent der Frauen. Besonders auffällig: Je höher die Bildung, desto höher der Konsum. In der hohen Bildungsgruppe konsumieren 54,5 Prozent der Männer und 32,4 Prozent der Frauen in riskanten Mengen. In der niedrigen Bildungsgruppe sind es 38 Prozent der Männer und 12,5 Prozent der Frauen.
Die Datengrundlage stammt aus der Erhebung „Gesundheit in Deutschland aktuell“ von 2019/2020 mit 22.708 telefonisch Befragten. Neu bewertet wurden die Daten, nachdem die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) im vergangenen Jahr ihre Risikostufen angepasst hat.
Die DGE stellt klar: Alkohol ist eine psychoaktive Droge, die mit mehr als 200 gesundheitlichen Folgen verbunden ist – von Krebs über Lebererkrankungen bis zu Unfällen. Forschungsergebnisse zeigen, dass es keine sichere Menge gibt. Die Empfehlung ist eindeutig: „Ganz auf alkoholische Getränke zu verzichten.“
OZD / ©AFP
OZD-Kommentar
Die Zahlen sind ein Schlag ins Gesicht der deutschen Gesundheitsdebatte. Während in der Öffentlichkeit über Zucker, Fett und Tabak gestritten wird, bleibt Alkohol – die gefährlichste legale Droge – ein kulturell verharmlostes Alltagsgift. Bier zum Feierabend, Wein zum Essen, Sekt zum Anstoßen: Rituale, die tief verankert sind, aber Millionen Menschen krank machen.
Die RKI-Studie entlarvt das Problem schonungslos: Selbst Gebildete trinken besonders riskant. Es zeigt sich, dass Wissen nicht vor Gewohnheiten schützt.
Prognose: Wenn Politik und Gesellschaft nicht endlich mutig handeln, werden –
– alkoholbedingte Krankheiten weiter steigen
– Kliniken und Kassen überlastet
– und die Legende vom „maßvollen, gesunden“ Alkohol endgültig zerbrechen.
Lesermeinungen
„Ich habe nach 30 Jahren aufgehört zu trinken. Erst dann habe ich gemerkt, wie sehr Alkohol mein Leben bestimmt hat.“ – Sabine Köhler
„Es ist erschreckend, dass Bildung offenbar eher zum Trinken verführt als schützt.“ – Andreas Krüger
„Alkoholkonsum wird in Deutschland immer noch schön geredet – das ist das eigentliche Problem.“ – Leonie Wagner
OZD-Analyse
Zentrale Ergebnisse der RKI-Studie
a) Ein Drittel der Bevölkerung trinkt riskant.
b) Männer sind deutlich stärker betroffen (44,2 Prozent) als Frauen (21,4 Prozent).
c) Risikofrei ist nur kompletter Verzicht.
Bildung und Konsum
– Höhere Bildungsgruppen trinken mehr und riskanter.
– 54,5 Prozent der gebildeten Männer mit riskantem Konsum.
– Erklärung: gesellschaftliche Trinkkultur, beruflicher Stress, soziales Umfeld.
Folgen und Perspektiven
– Über 200 mögliche gesundheitliche Schäden durch Alkohol.
– Gesellschaftliche Kosten in Milliardenhöhe durch Krankheiten und Unfälle.
– Politische Debatte notwendig: strengere Werbung, höhere Steuern, Präventionsprogramme.
OZD-Erklärungen
Was ist das Robert-Koch-Institut (RKI)?
Das Robert-Koch-Institut ist die zentrale Einrichtung der Bundesregierung im Bereich Krankheitsüberwachung und -prävention. Es wurde 1891 gegründet und trägt den Namen des Bakteriologen Robert Koch. Das RKI sammelt Gesundheitsdaten, erstellt Studien und gibt Empfehlungen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung.
Was ist die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE)?
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung ist ein wissenschaftlicher Fachverband mit Sitz in Bonn. Sie entwickelt Leitlinien zu gesunder Ernährung, unter anderem auch zu Alkohol. 2023 hat die DGE die Risikostufen für Alkoholkonsum neu definiert. Kernaussage: Es gibt keine unbedenkliche Menge Alkohol.
Medizinischer Hintergrund: Alkoholabhängigkeit
Alkoholabhängigkeit ist eine chronische Krankheit, bei der das Verlangen nach Alkohol übermächtig wird. Symptome sind Kontrollverlust, Toleranzsteigerung, Entzugssymptome und psychische sowie körperliche Schäden. Behandlung: Entgiftung, Psychotherapie, Selbsthilfegruppen. Rückfallraten sind hoch, doch vollständige Abstinenz ist möglich. Im Profisport führt Alkoholsucht zu Leistungseinbußen, Verletzungsanfälligkeit und Karriereabbrüchen.
OZD
Alle Angaben ohne Gewähr.
Titelbild: AFP.