Der Streit um den neuen Wehrdienst sorgt für heftige politische Turbulenzen: Nach dem Scheitern eines Kompromisses hat die Union den Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) scharf angegriffen. CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen warf dem Minister vor, „ein zentrales Gesetzgebungsverfahren in seinem eigenen Ressort torpediert“ zu haben. Es sei „in 30 Jahren Bundestag beispiellos“, so Röttgen gegenüber der Süddeutschen Zeitung.
Röttgen hatte gemeinsam mit Siemtje Möller und Falko Droßmann (beide SPD) sowie Thomas Erndl (CSU) an einem Kompromiss gearbeitet, der auch von den Fraktionschefs Jens Spahn (CDU) und Matthias Miersch (SPD) unterstützt worden war. Der Plan sah vor, junge Männer per Losverfahren zur Musterung einzuberufen, falls sich nicht genügend Freiwillige melden. Besonders dieser Punkt hatte in der SPD für Widerstand gesorgt.
Pistorius selbst wollte dagegen, dass alle Männer eines Jahrgangs – bis zu 300.000 – ab 2027 gemustert werden, um im Ernstfall schnell handlungsfähig zu sein. Dies solle juristische Probleme vermeiden und die Bundeswehr auf eine mögliche Wiedereinsetzung der Wehrpflicht vorbereiten.
Gegenüber dem Tagesspiegel wies der Verteidigungsminister die Vorwürfe entschieden zurück: „Ich torpediere nichts und verhalte mich nicht destruktiv.“ Es sei jedoch „schwierig“, wenn „zentrale Punkte eines Gesetzentwurfs verändert werden, bevor dieser überhaupt im Bundestag eingebracht wurde.“ Gemeint sind die flächendeckenden Musterungen sowie die zusätzliche Verpflichtung, dass die Bundeswehr um Freiwillige werben müsse – ein Verfahren, das Pistorius für zu zeitaufwendig hält.
Die geplante gemeinsame Pressekonferenz von SPD und Union wurde kurzfristig abgesagt. Unklar ist, ob die erste Lesung des Wehrdienstgesetzes, die ursprünglich für Donnerstag vorgesehen war, nun erneut verschoben wird. Laut Bild soll das Thema von der Tagesordnung genommen werden – eine Entscheidung, die das Parlament bislang aber nicht bestätigt hat.
Der Streit zeigt, wie schwierig die Wehrdienstreform im politischen Berlin bleibt. Während die Union mehr Verbindlichkeit und klare Strukturen fordert, will Pistorius die Freiwilligkeit als Grundprinzip beibehalten. Der Konflikt dürfte die ohnehin fragile Koalitionsdisziplin weiter belasten – und das in einer sicherheitspolitisch sensiblen Zeit.
OZD
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