Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hat die europäischen Rundfunkanstalten vor einem Ausschluss Israels vom Eurovision Song Contest (ESC) gewarnt. In einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP sagte er am Dienstag in Berlin: „Wenn Europas Sender beginnen, Künstler nach ihrer Herkunft auszusortieren, verlieren wir mehr als nur einen Wettbewerb, wir verlieren die Idee, auf der Europa gegründet wurde.“
Die Europäische Rundfunkunion (EBU) will im Dezember entscheiden, ob Israel weiterhin am ESC teilnehmen darf. Die Abstimmung war zuletzt verschoben worden, weil die Waffenruhe zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas im Mittelpunkt internationaler diplomatischer Bemühungen stand. Der Grund für die Debatte: das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen nach dem Angriff der Hamas im Oktober 2023.
Mehrere europäische Länder, darunter Spanien, Irland und die Niederlande, kündigten an, im Falle einer israelischen Teilnahme einen Boykott des Wettbewerbs zu prüfen. Andere Länder – darunter Deutschland – sprachen sich klar gegen einen Ausschluss aus. Weimer bekräftigte diese Linie und sagte: „Der Eurovision Song Contest wurde geschaffen, um Europa nach dem Krieg durch Musik zu verbinden – wer heute Israel ausschließt, zerstört dieses Versprechen.“
Bereits die beiden vergangenen Wettbewerbe in Malmö und Basel waren von politischen Protesten begleitet. In Basel gewann der österreichische Sänger JJ und sicherte damit Österreich die Ausrichtung des ESC-Finales 2026 in Wien – der 70. Ausgabe des Wettbewerbs.
OZD
OZD-Kommentar:
Wer Israel vom ESC ausschließen will, öffnet die Tür für politische Säuberungen im Kulturbetrieb. Heute ist es Israel – morgen ist es der nächste Staat, dessen Politik jemandem nicht passt. Musik war nie dafür gedacht, Ausschlüsse zu verwalten, sondern Brücken zu bauen. Wenn Europa beginnt, Künstler nach Herkunft auszusortieren, zerschellt die Idee eines freien kulturellen Raums an ideologischen Forderungen einzelner Regierungen. Der ESC droht, vom Musikereignis zum geopolitischen Tribunal zu verkommen. Sollte die EBU einknicken, wäre dies ein Bruch mit der eigenen Geschichte – und ein Sieg des Boykotts über die Kunst.
Mini-Infobox (3–5 Fakten):
– Entscheidung über Israels ESC-Teilnahme fällt im Dezember
– Mehrere Länder drohten im Vorfeld mit Boykott
– Deutschland spricht sich gegen Ausschluss aus
– ESC 2026 findet in Wien statt
– Sieger 2025 war der österreichische Künstler JJ

OZD-Analyse
Was steht wirklich auf dem Spiel?
a) ESC als politisches Werkzeug – Der Wettbewerb droht, zum Austragungsort internationaler Konflikte zu werden.
b) Kulturelle Sanktionen – Ausschluss nach Herkunft wäre ein gefährlicher Präzedenzfall.
c) Spaltpilz in Europa – Sender könnten sich entlang politischer Linien gegeneinander positionieren.
Machtkampf hinter den Kulissen
– Boykott-Androhungen einzelner Länder erhöhen den Druck auf die EBU.
– Deutschland positioniert sich als Garant der ESC-Grundidee: Musik über Politik.
– Ein Ausschluss könnte die EBU nachhaltig beschädigen.
Symbolik des ESC
– Nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet, um Europa zu verbinden.
– Ausschluss würde dem Grundgedanken widersprechen.
– Kulturelle Isolation statt Dialog: ein Rückritt ins 20. Jahrhundert.
Wer ist Wolfram Weimer?
Wolfram Weimer ist seit 2024 Kulturstaatsminister Deutschlands und parteilos. Er ist zuständig für Medienpolitik und Kulturförderung auf Bundesebene. Zuvor war er Journalist und Verleger, unter anderem Gründer des Magazins „Cicero“. In seiner Funktion im Kanzleramt tritt er häufig dann auf, wenn es um den Schutz von Presse- und Kunstfreiheit geht.
Was ist der Eurovision Song Contest (ESC)?
Der ESC ist der weltweit größte Musikwettbewerb, organisiert von der Europäischen Rundfunkunion (EBU). Er wurde 1956 gegründet, um die durch Kriege gespaltenen Länder Europas durch Musik zu verbinden. Teilnehmen können über 35 Nationen, nicht nur Mitglieder der EU. Finanziert wird der Wettbewerb von den teilnehmenden Rundfunkanstalten.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
OZD-Extras
Fun-Fact: Der ESC erreicht jährlich über 160 Millionen Zuschauer – und hat damit mehr Publikum als der Super Bowl.