Das Bundeskriminalamt hat seit Beginn des Jahres mehr als 1000 verdächtige Drohnenflüge in Deutschland registriert. BKA-Präsident Holger Münch sprach in der „Bild“-Zeitung von einer „ausgeprägten Gefahrenlage“ und verwies auf ein erstmals erstelltes internes Bundeslagebild zur Bedrohung durch das Tatmittel Drohne.
Besonders häufig betroffen seien militärische Einrichtungen, Flughäfen sowie kritische Infrastrukturen wie Rüstungsunternehmen oder Hafenanlagen. In das neue Lagebild flössen sämtliche Verdachtsmeldungen sowie Erkenntnisse der Bundeswehr ein. Ziel sei es, ein umfassendes Bild über Muster, Häufungen und mögliche Hintergründe der Überflüge zu gewinnen.
Ob die Drohnen stets von russischen Akteuren gesteuert würden, könne nicht mit letzter Sicherheit gesagt werden, erklärte Münch. Die Identifizierung der Piloten sei schwierig, da diese häufig unerkannt blieben oder flüchteten. Im vergangenen Jahr habe man zwar eine größere zweistellige Zahl von Drohnenpiloten feststellen können, nicht alle seien jedoch ermittelt worden. Hinzu kämen zahlreiche visuelle Sichtungen, unter denen sich auch Falschmeldungen befänden.
In vielen Fällen deuteten die Erkenntnisse jedoch auf staatlich gesteuerte Aktionen hin, die gezielt Verunsicherung erzeugen sollten. Besonders auffällig seien Drohnenschwärme, die klar über das hinausgingen, was von Hobbyfliegern zu erwarten sei. Neben psychologischen Effekten könnten die Flüge auch der Informationsgewinnung dienen, etwa durch das Erfassen von Smartphones in militärischen Einrichtungen, in denen ukrainische Soldaten ausgebildet werden.
Auch das Bundesinnenministerium bestätigte eine Vielzahl entsprechender Sichtungen. Die Bundesregierung habe bereits reagiert und Anfang Dezember eine spezielle Drohnenabwehr-Einheit bei der Bundespolizei in Dienst gestellt. Zusätzlich wurde ein gemeinsames Drohnenabwehrzentrum von Bund und Ländern geschaffen, um schneller und koordinierter reagieren zu können. OZD
OZD-Kommentar – Die Bedrohung kommt leise von oben
Drohnen sind längst kein Spielzeug mehr, sondern ein ernstzunehmendes sicherheitspolitisches Instrument. Überflüge über Militäranlagen, Häfen und Rüstungsbetriebe sind kein Zufall, sondern Teil moderner hybrider Kriegsführung. Deutschland reagiert spät, aber immerhin entschlossen. Doch solange Drohnen unbemerkt operieren und Verantwortliche im Dunkeln bleiben, bleibt die Abschreckung schwach. Wer den Luftraum nicht schützt, riskiert mehr als Verunsicherung – er lädt zur Eskalation ein.

Mini-Infobox
Über 1000 verdächtige Drohnenflüge seit Jahresbeginn
Zielorte: Militär, Flughäfen, kritische Infrastruktur
Neues Bundeslagebild zur Drohnengefahr
Drohnenabwehr-Einheit bei der Bundespolizei gestartet
OZD-Analyse
Charakter der Bedrohung
a) Systematische Überflüge sensibler Ziele
b) Einsatz moderner Drohnenschwärme
c) Kombination aus Spionage und psychologischer Wirkung
Sicherheitslücken
a) Schwierige Identifikation der Drohnenpiloten
b) Hohe Zahl an Sichtungen und Falschmeldungen
c) Begrenzte rechtliche und technische Eingriffsmöglichkeiten
Staatliche Reaktion
a) Aufbau spezialisierter Drohnenabwehr-Einheiten
b) Gemeinsames Lagezentrum von Bund und Ländern
c) Ziel: schnellere Reaktion und höhere Resilienz

Wer ist Holger Münch?
Holger Münch ist Präsident des Bundeskriminalamts. Er gilt als einer der
zentralen Sicherheitsarchitekten Deutschlands und warnt seit Jahren vor
neuen Formen hybrider Bedrohungen.
Was ist kritische Infrastruktur?
Als kritische Infrastruktur gelten Einrichtungen, deren Ausfall
erhebliche Folgen für Staat und Gesellschaft hätte, darunter
Energieversorgung, Verkehr, Militärstandorte, Häfen und
Rüstungsunternehmen.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
OZD-Extras
Drohnen gelten zunehmend als Schlüsselwerkzeug moderner Spionage – leise, günstig und schwer zurückzuverfolgen.