Mit deutlicher Mehrheit hat das ungarische Parlament den Rückzug aus dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) beschlossen. 134 Abgeordnete stimmten dafür, 37 dagegen, sieben enthielten sich. Die Entscheidung folgt einer Erklärung von Ministerpräsident Viktor Orbán, der den IStGH als „politisch motivierte juristische Institution“ abqualifizierte.
Der Internationale Strafgerichtshof mit Sitz in Den Haag wurde 2002 gegründet und ist weltweit die zentrale Instanz zur Ahndung schwerster Verbrechen wie Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Über 120 Staaten sind dem Statut von Rom beigetreten. Nun gesellt sich Ungarn zu Burundi und den Philippinen – zwei Ländern, deren Rückzüge aus dem IStGH mit autoritären Entwicklungen einhergingen.
Orbán hatte den Schritt Anfang April öffentlich gemacht – ausgerechnet bei einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, gegen den der IStGH einen Haftbefehl wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gazastreifen erlassen hat. Für Mitgliedsstaaten des IStGH besteht die Verpflichtung zur Kooperation – auch bei der Festnahme beschuldigter Personen.
Der Zeitpunkt und der politische Kontext des ungarischen Rückzugs werfen ernsthafte Zweifel an den Motiven der Regierung auf. Wird hier internationales Recht bewusst unterlaufen, um geopolitische Bündnisse zu stärken? Orbáns demonstrative Ablehnung des IStGH könnte als Solidarisierung mit Netanjahu gewertet werden – auf Kosten einer unabhängigen Rechtsprechung.
Ebenso problematisch ist die pauschale Diskreditierung des Gerichts als „politisch motiviert“. Zwar mag Kritik an bestimmten Entscheidungen des IStGH legitim sein, doch der völlige Rückzug entzieht sich der Debatte und negiert grundlegende Prinzipien der internationalen Gerechtigkeit.
Ungarns Schritt markiert eine weitere Erosion internationaler Rechtsnormen. Der Austritt eines EU-Mitgliedsstaats aus dem IStGH ist nicht nur ein symbolischer Affront gegen die Idee globaler Rechenschaftspflicht, sondern auch ein gefährliches Signal an andere Regierungen mit autoritären Tendenzen.
Statt sich an der Weiterentwicklung eines gerechteren internationalen Rechtssystems zu beteiligen, zieht sich Ungarn zurück – ausgerechnet in einer Zeit, in der Kriegsverbrechen in der Ukraine, in Gaza und anderswo die Dringlichkeit eines starken Strafgerichtshofs verdeutlichen.
Was bleibt, ist der Eindruck einer Regierung, die sich immer weiter von europäischem Rechtsverständnis und demokratischen Grundwerten entfernt – zugunsten machtpolitischer Taktik und ideologischer Selbstinszenierung.
OZD
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