Menschenrechte und Umweltstandards werden wirtschaftlichen Interessen geopfert.
Zitat:
„Die Firmen sollen zudem weniger Daten zu ihren Produktionsketten liefern müssen.“
OZD-Kommentar:
Was als großer Wurf für eine gerechtere Globalisierung begann, endet in politischer Selbstverleugnung: Die EU-Staaten wollen das geplante Lieferkettengesetz so weit entschärfen, dass es kaum noch Wirkung entfalten kann. Der ursprüngliche Anspruch – Unternehmen zur Rechenschaft zu ziehen, wenn ihre Geschäfte auf Menschenrechtsverletzungen oder Umweltzerstörung fußen – wird systematisch demontiert.
Die Schwellenwerte für betroffene Firmen werden massiv erhöht: Nur noch Konzerne mit mindestens 5000 Mitarbeitenden und 1,5 Milliarden Euro Umsatz sollen überhaupt erfasst werden. Damit verschwindet die Verantwortung vieler international agierender Firmen einfach aus dem Gesetzestext – obwohl sie de facto in Risikobereichen produzieren oder einkaufen lassen.
Noch gravierender ist die vorgesehene Einschränkung der Sorgfaltspflicht auf direkte Zulieferer. Damit wird genau der Teil der Lieferkette aus dem Blick genommen, in dem Menschenrechtsverletzungen am häufigsten auftreten: Kinderarbeit in Minen, Hungerlöhne in Textilfabriken, massive Umweltzerstörung beim Rohstoffabbau. Die EU schaut künftig demonstrativ weg – Hauptsache, der Vertragspartner sitzt formell am Schreibtisch.
Besonders zynisch: Auch die zivilrechtliche Haftung soll entfallen. Betroffene in Ländern des Globalen Südens könnten Unternehmen nicht einmal mehr verklagen – ein Freibrief für unternehmerische Verantwortungslosigkeit.
Die politische Botschaft ist deutlich: Schutzpflichten enden dort, wo Wirtschaftsinteressen beginnen. Wenn selbst Deutschland – einst Vorreiter mit einem eigenen Lieferkettengesetz – jetzt auf Abschaffungskurs geht, und Frankreichs Präsident Macron laut über das komplette Aus redet, wird klar: Menschenrechte sind verhandelbar – jedenfalls, wenn es um den freien Markt geht.
Nun liegt es am Europäischen Parlament, dieser Rückabwicklung eines zentralen ethischen Fortschritts Einhalt zu gebieten. Es geht nicht nur um Gesetze, sondern um Glaubwürdigkeit. Ein Lieferkettengesetz ohne Lieferkettenverantwortung ist keines.
OZD
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Bild: AFP