Jonas Abrahamsen strahlte, während Tadej Pogacar durchatmete: Die elfte Etappe der Tour de France wurde zum Hochgeschwindigkeits-Drama mit zwei Hauptdarstellern. Der 29-jährige Norweger Abrahamsen krönte sich in Toulouse mit seinem ersten Etappensieg bei der Frankreich-Rundfahrt – Pogacar hingegen musste nach einem späten Sturz um seinen Anschluss an die Spitze kämpfen, kam aber mit einem blauen Auge davon.
Abrahamsen, der für das Team Uno-X Mobility fährt, setzte sich nach 156,8 kräftezehrenden Kilometern im Sprint einer Spitzengruppe gegen den Schweizer Mauro Schmid durch. Der niederländische Allrounder Mathieu van der Poel wurde Dritter – seine Attacke auf den letzten Metern kam zu spät. Auch Wout van Aert konnte im hektischen Finale nicht mehr entscheidend eingreifen.
Rund fünf Kilometer vor dem Ziel war es zu einem brenzligen Moment gekommen: Pogacar verhakte sich am Hinterrad eines Kontrahenten und ging zu Boden. Doch der Tour-Favorit stand rasch wieder auf, schwang sich aufs Rad und wurde von seinen Rivalen sportlich fair erwartet. "Ich habe es gar nicht mitbekommen", sagte Florian Lipowitz. "Aber wir haben auf jeden Fall das Tempo rausgenommen. Das gehört dazu." Der Deutsche zeigte sich erneut in starker Form und parierte kurz darauf sogar eine Attacke von Jonas Vingegaard.
Dass die Favoriten trotz der Hitze von über 30 Grad so engagiert fuhren, hatte niemand erwartet. Von einem Ruhetags-Schongang war auf dem Kurs rund um Toulouse keine Spur. Die Côte de Pech David, ein Anstieg mit über 12 Prozent Steigung kurz vor dem Ziel, wurde zur Scharfrichter-Passage. Schmid und Abrahamsen arbeiteten dort entschlossen zusammen und konnten das Feld abschütteln. Van der Poels Schlussoffensive brachte ihm zwar das Podium, nicht aber den Sieg.
In der Gesamtwertung bleibt Ben Healy trotz des irren Renntages im Gelben Trikot. Sein Vorsprung auf Pogacar beträgt 29 Sekunden, Vingegaard liegt bereits 1:46 Minuten zurück. Am Donnerstag folgt der erste Hochgebirgs-Showdown in den Pyrenäen mit Ziel in Hautacam – einem Berg, auf dem Vingegaard bereits 2022 triumphierte.
Pogacar zeigte sich optimistisch: "Jetzt kommt unser Terrain. Die anderen müssen attackieren." Am Donnerstag könnte sich entscheiden, wer wirklich um den Toursieg mitreden darf.
OZD
OZD-Kommentar
Ein Höllenritt vor dem Pyrenäen-Fegefeuer: Die elfte Etappe war ein Statement. Jonas Abrahamsen fährt zum größten Erfolg seiner Karriere – aber die Schlagzeilen gehören einmal mehr Tadej Pogacar.
Sein Sturz kurz vor dem Ziel war eine Mahnung: In der Tour kann alles kippen – auch dann, wenn man scheinbar souverän das Feld kontrolliert. Pogacar bleibt cool, hat Glück, dass seine Gegner sportlich Größe zeigen – aber der psychologische Vorteil des Unantastbaren ist angekratzt.
Jonas Vingegaard, bislang in Deckung, könnte genau daraus Kapital schlagen. Am „Berg der Dänen“ wartet sein Revier. Wenn Pogacar dort wackelt, droht das Momentum zu kippen. Abrahamsens Sieg? Großartig – aber die wahre Entscheidung steht erst bevor.
Lesermeinungen
„Fairplay pur – dass das Feld auf Pogacar gewartet hat, war große Klasse.“
„Was für ein Ritt! Abrahamsen hat es sich absolut verdient.“
„Wenn Pogacar fällt und trotzdem keine Zeit verliert, weiß man, wie sehr er respektiert wird.“
Wer ist Jonas Abrahamsen?
Jonas Abrahamsen wurde 1995 in Skien, Norwegen geboren und fährt seit 2017 für das Team Uno-X Mobility. Der vielseitige Norweger galt lange als Edelhelfer und Tempomacher in Ausreißergruppen. Mit seinem Etappensieg in Toulouse feierte er nun seinen größten Profierfolg. Er gilt als starker Allrounder mit Sprintqualitäten, der in Ausreißergruppen immer gefährlich ist.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
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