Mit klaren Worten hat Umweltminister Carsten Schneider (SPD) zum sogenannten Erdüberlastungstag am Donnerstag vor einer sozialen Schieflage im Klimaschutz gewarnt. „Es sind nicht die Menschen mit kleinem Geldbeutel, die das Problem verursachen, weder bei uns noch in anderen Teilen der Welt“, sagte der Minister der „Rheinischen Post“. Vielmehr sei der übermäßige Konsum der Reichen und Superreichen – mit Privatjets, SUVs und Aktienportfolios – Hauptverursacher der ökologischen Krise. Der Klimawandel sei daher, so Schneider, „die größte soziale Frage unserer Zeit“.
Der weltweite Erdüberlastungstag markiert jenen Punkt, an dem die Menschheit mehr natürliche Ressourcen verbraucht hat, als die Erde im gesamten Jahr regenerieren kann. In diesem Jahr fällt er bereits auf den 24. Juli – eine dramatische Verschiebung im Vergleich zum 1. August im Vorjahr. Für Deutschland errechnete das Global Footprint Network sogar den 3. Mai 2025 – ein Wert, der die überdurchschnittliche Belastung durch Industrienationen verdeutlicht.
Schneider forderte, dass Umstiegshilfen auf klimafreundliche Technologien künftig jenen zugutekommen müssten, „die sie am dringendsten brauchen“. Noch immer flössen zu viele Fördermittel in Haushalte, „die eh schon viel haben“. Das müsse sich ändern, wenn der Umbau in eine klimafreundliche Gesellschaft gerecht und breit getragen sein solle.
Die Grünen forderten die Bundesregierung derweil zum Handeln auf. Umweltpolitiker Jan-Niclas Gesenhues verlangte ein globales Abkommen gegen Plastikmüll, nachhaltige Produktstandards und ein Nein zum umweltschädlichen Tiefseebergbau. Linken-Chef Jan van Aken schlug die Wiedereinführung des Neun-Euro-Tickets vor: „Ein guter erster Schritt, um unsere Umwelt zu schützen.“
Rückenwind für Schneider und die Klimaschützer kam auch vom Internationalen Gerichtshof. In einem am Mittwoch veröffentlichten Gutachten erklärten die Richter in Den Haag den Klimawandel zur „existenziellen Bedrohung“ und stellten klar, dass Staaten rechtlich zur Bekämpfung der Erderwärmung verpflichtet seien. Die Verweigerung von Klimaschutz sei eine „völkerrechtswidrige Handlung“.
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge erinnerte daraufhin an die Verantwortung Deutschlands und warf Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) vor, mit seiner Klimapolitik internationales Recht zu brechen. Merz hatte in seiner Sommerpressekonferenz erklärt, dass sich „morgen auf der Welt nichts ändern“ würde, selbst wenn Deutschland heute klimaneutral wäre. Zwar bekennt sich der Kanzler zu den Klimazielen, doch seine Worte hinterlassen bei vielen Klimaschützern große Zweifel.
OZD-Kommentar
Erdüberlastungstag. Ein sperriges Wort für eine Katastrophe in Zeitlupe. Doch genau das ist es: Die Menschheit lebt, als gäbe es zwei Planeten. Und Deutschland – reich, energiehungrig, hochindustrialisiert – ist kein kleiner Teil des Problems. Umweltminister Schneider hat recht: Es sind nicht die Menschen mit wenig Geld, die den Planeten verheizen. Es sind die Vielflieger, Großkonzerne, Luxuskonsumenten – jene, die sich vor jeder Krise retten können, weil sie es sich leisten können.
Dass der Internationale Gerichtshof nun Klimaschutz zur völkerrechtlichen Pflicht erklärt, ist ein Paukenschlag. Doch die politische Reaktion in Deutschland? Halbherzig. Kanzler Merz wiegelt ab – dabei wird gerade hier ein Großteil der globalen Ressourcen verbraucht. Wer so argumentiert, spielt mit der Zukunft und sendet das fatale Signal: Es lohnt sich nicht, anzufangen. Es ist dieser Zynismus, der Vertrauen und Wandel erstickt.
Wenn Klimaschutz sozial ungerecht bleibt, wird er scheitern. Wenn er sich aber als Werkzeug für Gerechtigkeit versteht, kann er gewinnen – Menschen, Mehrheiten, sogar Märkte. Die Zeit des Redens ist vorbei. Der Planet schreit. Und wir haben keinen zweiten.
Lesermeinungen:
„Ich verdiene wenig und versuche trotzdem nachhaltig zu leben – es ist höchste Zeit, dass die Reichen stärker in die Pflicht genommen werden!“ Konrad Schneider
„Schneider spricht endlich aus, was alle denken: Nicht der kleine Mann ist schuld, sondern die Konsumelite.“ Mina M.
„Merz’ Aussagen zum Klima sind eine Ohrfeige für alle, die seit Jahren kämpfen – so verspielt man jede Glaubwürdigkeit.“ Lider
Was ist Deine Meinung? Schreibe an: redaktion@online-zeitung-deutschland.de !
Anzeige
OZD-Analyse
1. Was ist der Erdüberlastungstag?
– Der Erdüberlastungstag (Earth Overshoot Day) zeigt symbolisch, wann die Menschheit die natürlichen Ressourcen eines Jahres verbraucht hat.
– 2024: globaler Stichtag am 24. Juli, für Deutschland bereits am 3. Mai 2025.
– Berechnung erfolgt durch das Global Footprint Network anhand von Verbrauch, Emissionen und Regenerationskapazität der Erde.
2. Ursachen der ökologischen Schieflage
a) Überkonsum –
– Reichere Länder verbrauchen deutlich mehr Ressourcen pro Kopf.
– Besonders hoher Ressourcenverbrauch durch Mobilität, Konsumgüter, Wohnraum und industrielle Produktion.
b) Fehlgeleitete Fördermittel –
– Staatliche Zuschüsse landen häufig bei wohlhabenderen Haushalten, etwa durch Steuervergünstigungen oder Prämien für Elektroautos im Hochpreissegment.
3. Reaktionen und politische Forderungen
a) Umweltminister Schneider –
– Klimawandel = soziale Frage
– Umverteilung der Klimahilfen gefordert
b) Internationale Ebene –
– IGH erklärt Klimaschutz zur rechtlichen Pflicht
– Versäumnisse gelten als „völkerrechtswidrige Handlung“
c) Parteipolitische Spannungen –
– Grüne kritisieren Merz’ Blockadehaltung
– Linke fordert konkrete Maßnahmen wie Neun-Euro-Ticket
– Bundesregierung unter Handlungsdruck durch Gerichtsurteil und schwindende Glaubwürdigkeit
Anzeige
Wer ist Carsten Schneider?
Carsten Schneider ist seit 2021 Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundeskanzler und Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland. Im Juli 2024 wurde er zum kommissarischen Umweltminister berufen, nachdem seine Vorgängerin zurückgetreten war. Der Thüringer SPD-Politiker gilt als pragmatisch, sozial verwurzelt und engagiert in Fragen sozialer Gerechtigkeit. Mit seinen jüngsten Aussagen zum Klimaschutz positioniert er sich klar für einen klimagerechten Strukturwandel.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.