Mit eindringlichen Worten hat Nato-Generalsekretär Mark Rutte bei einem unangekündigten Besuch in Kiew die westlichen Verbündeten zur Bereitstellung von „robusten Sicherheitsgarantien“ für die Ukraine aufgefordert. „Wenn die Zeit für ein Treffen mit Wladimir Putin gekommen ist, muss die Ukraine die unmissverständliche Kraft ihrer Freunde hinter sich haben“, erklärte Rutte am Freitag bei einer Pressekonferenz mit Präsident Wolodymyr Selenskyj. Der niederländische Nato-Chef betonte, nur so könne Russland dauerhaft abgeschreckt werden.
Rutte machte deutlich, dass Russland „niemals wieder versuchen darf, auch nur einen Quadratkilometer ukrainischen Territoriums zu erobern“. Die Botschaft an Moskau sei eindeutig: Künftige Vereinbarungen dürften nicht bloß auf Papier existieren, sondern müssten mit der geballten Macht der Nato-Staaten hinterlegt sein.
Der Auftritt Ruttes reiht sich ein in die jüngsten diplomatischen Initiativen Washingtons. US-Präsident Donald Trump hatte zu Wochenbeginn bei einem Gipfeltreffen mit Selenskyj, Rutte und europäischen Staats- und Regierungschefs in Washington Sicherheitsgarantien ins Spiel gebracht, die sich am berühmten Beistandsartikel 5 des Nato-Vertrags orientieren sollen. Noch ist unklar, ob es sich um eine formelle Nato-Mitgliedschaft oder ein maßgeschneidertes Schutzbündnis handeln wird.
Trump plant zudem ein bilaterales Spitzentreffen zwischen Selenskyj und Putin – das erste seit Kriegsbeginn. Doch die Skepsis bleibt groß. Russlands Außenminister Sergej Lawrow erklärte am Freitag, „kein Treffen ist geplant“. Putin sei lediglich „bereit, wenn die Agenda fertig ist“. In Kiew reagierte man mit Unmut: Selenskyj warf dem Kremlchef vor, der „Notwendigkeit“ direkter Friedensgespräche auszuweichen.
Während Rutte die Ukraine demonstrativ in den Mittelpunkt rückte, wächst zugleich der Druck auf die westlichen Staaten, ihre Versprechen auch tatsächlich einzulösen. Denn in Kiew weiß man: Ohne belastbare Garantien und westliche Rückendeckung droht jede Friedensvereinbarung rasch zu einem fragilen Waffenstillstand zu verkommen – mit dem Risiko neuer russischer Angriffe.
OZD
OZD-Kommentar
Die Worte Ruttes sind stark – doch entscheidend ist, ob sie mehr als ein Versprechen bleiben. Die Ukraine kann sich keine Schönwettergarantien leisten, sie braucht ein Sicherheitsnetz, das den Namen verdient. Trump verkauft sich als Friedensstifter, doch seine Motive sind nicht frei von Eigeninteresse. Ein Treffen Selenskyj–Putin mag historisch klingen, doch ohne bindende Zusagen der Nato und harte Konsequenzen für Moskau bleibt es ein diplomatisches Luftschloss. Die Frage ist nicht, ob Putin zu Verhandlungen bereit ist, sondern ob er jemals ernsthaft auf territoriale Ansprüche verzichten wird. Und genau hier wird sich entscheiden, ob der Westen standhaft bleibt oder in Kompromissen versinkt, die die Ukraine teuer bezahlen würde.
Lesermeinungen
„Sicherheitsgarantien sind nur dann etwas wert, wenn sie militärisch abgesichert sind – alles andere ist Illusion.“ Tilli
„Trump sucht den großen Deal, aber Putin spielt nur auf Zeit. Selenskyj darf sich nicht in eine Falle locken lassen.“ G. B.
OZD-Analyse
Ausgangslage
Nato-Generalsekretär Rutte reist überraschend nach Kiew.
Forderung nach „robusten Sicherheitsgarantien“ für die Ukraine.
US-Präsident Trump wirbt für Gipfel zwischen Selenskyj und Putin.
Politische Dimension
a) Nato – versucht, zwischen militärischer Unterstützung und diplomatischen Optionen Balance zu halten.
b) USA – Trump inszeniert sich als Friedensmacher, bleibt aber unklar, wie weit er gehen will.
c) Russland – signalisiert Gesprächsbereitschaft, verzögert aber konkrete Verhandlungen.
Konsequenzen
Für die Ukraine: Ohne harte Sicherheitsgarantien droht jeder Kompromiss instabil zu bleiben.
Für die Nato: Ein Präzedenzfall – schwache Garantien würden Glaubwürdigkeit beschädigen.
Für Russland: Zeitgewinn durch Verhandlungsangebote ohne Zugeständnisse.
Wer ist Mark Rutte?
Mark Rutte, seit Oktober 2024 Nato-Generalsekretär, war zuvor mehr als ein Jahrzehnt Ministerpräsident der Niederlande. Als erfahrener liberaler Politiker der VVD profilierte er sich durch pragmatische Führungsstärke und enge Bindungen zu EU-Partnern und den USA. Rutte gilt als transatlantischer Brückenbauer, der den Kurs der Nato in Zeiten globaler Krisen prägen will. Sein Besuch in Kiew unterstreicht, dass er das Bündnis stärker als Sicherheitsgarant für die Ukraine positionieren möchte.
Was ist der Nato-Beistandsartikel 5?
Artikel 5 des Nordatlantikvertrags von 1949 bildet den Kern der Nato. Er legt fest, dass ein bewaffneter Angriff gegen einen oder mehrere Nato-Staaten als Angriff gegen alle betrachtet wird. Im Ernstfall verpflichten sich die Mitgliedsstaaten, dem angegriffenen Land beizustehen – notfalls auch mit militärischer Gewalt. Der Artikel wurde seit Gründung der Nato nur einmal angewendet: nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 auf die USA.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.