Der Mord an Andrij Parubij, dem ehemaligen Parlamentspräsidenten der Ukraine, erschüttert das Land. Der am Montag festgenommene Verdächtige hat die Tat eingeräumt – er sprach von „persönlicher Rache“ an den ukrainischen Behörden für den Tod seines Sohnes an der Front. „Ja. Ich gebe zu, ihn getötet zu haben“, erklärte der 52-Jährige während einer Gerichtsanhörung in einem Glaskasten. Russische Geheimdienste seien nicht beteiligt, betonte er.
Der Verdächtige erklärte, er wolle ein schnelles Urteil und hoffe anschließend auf einen Austausch als Kriegsgefangener, um nach Russland zu gelangen. Dort wolle er den Leichnam seines gefallenen Sohnes suchen. Die ukrainische Polizei hatte zuvor von einer „russischen Spur“ gesprochen und die Tat als „sorgfältig geplant“ bezeichnet. Details zu den Ermittlungen wurden bislang nicht veröffentlicht.
Am Dienstag wurde Parubij in Lwiw unter großer Anteilnahme beigesetzt. Hunderte Menschen, darunter zahlreiche hochrangige Regierungsvertreter, erwiesen dem früheren Parlamentspräsidenten die letzte Ehre. „Er war das Gesicht und das Herz der ukrainischen Revolutionen“, sagte der Journalist Andrij Saitschuk der Nachrichtenagentur AFP.
Parubij war am Samstag auf offener Straße erschossen worden. Von 2016 bis 2019 leitete er das ukrainische Parlament, zuvor stand er dem nationalen Sicherheitsrat vor. Schon in den späten Sowjetjahren hatte er sich für die Unabhängigkeit der Ukraine eingesetzt. In den 1990er Jahren gründete er eine als rechtsextrem eingestufte Partei, entwickelte sich später jedoch zu einer der zentralen Figuren der pro-europäischen Bewegungen in der Ukraine, insbesondere während der Orangefarbenen Revolution 2004 und des Maidan-Aufstands 2014.
Sein Tod reiht sich in eine Serie von politisch aufgeladenen Attentaten seit Beginn des russischen Angriffskrieges ein. Moskau und Kiew werfen sich gegenseitig die Ermordung hochrangiger Persönlichkeiten vor. Russische Staatsmedien hatten Parubij seit 2023 auf einer Fahndungsliste geführt.
OZD
OZD-Kommentar
Die Ukraine verliert mit Parubij eine Symbolfigur ihrer pro-europäischen Identität. Dass der Verdächtige die Tat mit dem Tod seines Sohnes rechtfertigt, ist tragisch, aber lenkt nicht vom eigentlichen Skandal ab: In einem Land im Krieg werden Attentate zur grausamen Realität. Ob tatsächlich keine russische Verbindung existiert, bleibt fraglich – allzu oft haben sich „Einzeltäter“-Erklärungen später als Teil größerer Strategien entpuppt. Dieser Mord wird die politische Landschaft weiter destabilisieren, und er zeigt: Die Ukraine kämpft nicht nur an der Front, sondern auch im Inneren gegen das Gift der Gewalt.
Lesermeinungen
"Parubij war ein Held für die Ukraine – dieser Mord trifft uns alle ins Herz." – Oksana M., Kiew
"Ich glaube nicht an die Version von reiner Rache. Russland hat zu viele Gründe, Parubij auszuschalten." – Mykola R., Lwiw
"Egal ob Rache oder russische Spur – es ist schrecklich, dass Gewalt in unserem Land so allgegenwärtig bleibt." – Olena K., Odessa
OZD-Analyse
Politische Bedeutung
– Parubij war eine Schlüsselfigur der ukrainischen Demokratiebewegungen.
– Sein Tod trifft die politische Elite mitten ins Herz und könnte die Opposition gegen Russland schwächen.
Ungeklärte Fragen
– Motiv des Verdächtigen: persönliche Rache oder Instrumentalisierung durch Geheimdienste?
– Die Ermittlungen werden zeigen müssen, ob es tatsächlich eine Verbindung zu Moskau gibt.
Folgen für die Ukraine
– Die Beisetzung Parubijs wurde zu einem Akt der nationalen Geschlossenheit.
– Zugleich steigt das Gefühl der Unsicherheit: Kein Politiker scheint mehr sicher.
– Der Fall könnte den innenpolitischen Druck auf Präsident Selenskyj weiter erhöhen.
OZD-Erklärungen
Wer war Andrij Parubij?
Andrij Parubij (1971–2025) war einer der prägenden Köpfe der ukrainischen Demokratiebewegungen. Der Historiker gründete in den 1990er Jahren eine rechtsextreme Partei, wandte sich später jedoch pro-europäischen Kräften zu. Während der Orangefarbenen Revolution 2004 und der Maidan-Revolution 2014 war er eine zentrale Figur, organisierte Verteidigungsgruppen und wurde zu einem Symbol des Widerstands gegen russischen Einfluss. Von 2016 bis 2019 war er Parlamentspräsident der Ukraine. Parubij überlebte 2014 bereits einen Anschlag mit einer Granate, ehe er im August 2025 in Lwiw ermordet wurde.
Was war die Maidan-Revolution?
Die Maidan-Revolution, auch „Euromaidan“ genannt, war eine Serie von Massenprotesten in der Ukraine Ende 2013 bis Februar 2014. Auslöser war die Entscheidung des damaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch, ein Assoziierungsabkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen. Die Proteste eskalierten, Sicherheitskräfte setzten Gewalt ein, mehr als 100 Menschen starben. Am Ende wurde Janukowitsch gestürzt. Der Maidan gilt als Zäsur in der ukrainischen Geschichte und als Beginn einer klaren Westorientierung des Landes.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.