Ein Jahr lang steht die deutsche Grünen-Politikerin Annalena Baerbock an der Spitze der Vollversammlung der Vereinten Nationen. Am Dienstag wird die frühere Bundesaußenministerin um 17.00 Uhr MESZ in New York als Präsidentin der 80. UN-Generalversammlung vereidigt. Im Anschluss ist ein Presseauftritt vorgesehen, am Abend folgt ihre erste große Rede zum Auftakt der Generaldebatte.
Baerbock hatte sich bei ihrer Wahl im Juni gegen keinen Gegenkandidaten durchgesetzt und allen 193 Mitgliedsstaaten eine enge Zusammenarbeit zugesichert. „Gerade in stürmischen geopolitischen Zeiten müssen wir Brücken bauen und Dialog ermöglichen“, erklärte sie damals.
Belastet wird die diesjährige Generalversammlung von hochbrisanten Konflikten. Insbesondere die geplante Anerkennung eines Palästinenserstaates durch Frankreich und weitere Länder sorgt für heftige Auseinandersetzungen. US-Präsident Donald Trump hatte die Vereinten Nationen für diesen Kurs zuletzt scharf attackiert und finanzielle Mittel gekürzt. Zusätzlich verhängte seine Regierung Sanktionen gegen hochrangige UN-Vertreter – ein unübersehbares Zeichen der Konfrontation.
Für Baerbock beginnt ihre Amtszeit also unter schwierigsten Bedingungen: Zwischen dem wachsenden Druck aus Washington, den Erwartungen der europäischen Partner und den Forderungen vieler Staaten des Globalen Südens nach mehr Einfluss. Ihre Rede am Dienstagabend wird daher nicht nur als Protokollpflicht, sondern als richtungsweisender Auftritt erwartet.
OZD
OZD-Kommentar
Die Vereidigung Baerbocks als Präsidentin der UN-Generalversammlung ist ein symbolträchtiger Erfolg – aber auch eine Bürde. Denn die Bühne der UN ist keine Bühne der Harmonie, sondern des Konflikts. Der Streit um die Anerkennung Palästinas könnte Baerbocks Präsidentschaft gleich zu Beginn dominieren. Ihre Fähigkeit, zwischen den Blöcken zu vermitteln, wird über die Wahrnehmung Deutschlands als globaler Akteur entscheiden. Prognose: Baerbock wird schnell erkennen, dass die Rolle der UN-Präsidentin wenig Macht, aber enorme symbolische Strahlkraft hat. Gelingt es ihr, Vertrauen in Zeiten geopolitischer Zerrissenheit zu stiften, könnte sie sich international ein politisches Erbe schaffen – scheitert sie, droht ihre Amtszeit im Schatten der großen Mächte zu verblassen.
Lesermeinungen
„Ein historischer Tag für Deutschland – endlich eine deutsche Stimme ganz vorne bei den UN.“ (Monika Schreiber, Frankfurt)
„Baerbock wird zwischen den USA und Europa zerrieben. Das ist eine Mission Impossible.“ (Thomas Berger, Leipzig)
„Ich hoffe, sie bringt frischen Wind und Mut in diese verkrustete Institution.“ (Jens Krause, Hamburg)
OZD-Erklärungen
Wer ist Annalena Baerbock?
Annalena Baerbock, geboren 1980 in Hannover, ist Politikerin von Bündnis 90/Die Grünen. Sie war von 2021 bis 2025 Außenministerin Deutschlands und prägte die deutsche Außenpolitik mit einem klar pro-europäischen und werteorientierten Kurs. Bekannt wurde sie für ihre Unterstützung der Ukraine, ihr Engagement für Klimaschutz und Menschenrechte sowie ihre kritische Haltung gegenüber China und Russland.
Was ist die UN-Generalversammlung?
Die UN-Generalversammlung ist das zentrale Beratungsorgan der Vereinten Nationen. Alle 193 Mitgliedsstaaten sind dort vertreten, jedes Land hat eine Stimme. Anders als im Sicherheitsrat gibt es kein Vetorecht. Die Generalversammlung kann keine bindenden Beschlüsse fassen, hat aber großes politisches Gewicht, da sie als Forum für globale Debatten dient.
Mini-Infobox – UN-Generalversammlung
– Präsidentin: Annalena Baerbock (Deutschland)
– Vereidigung: Dienstag, 17.00 Uhr MESZ, New York
– Dauer: 1 Jahr
– Mitglieder: 193 Staaten
– Hauptthema: Anerkennung eines Palästinenserstaates
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.