Hamburg hat Geschichte geschrieben. Mit 53,2 Prozent stimmten die Bürgerinnen und Bürger am Sonntag für das sogenannte Klimaschutzverbesserungsgesetz – und damit für schärfere Klimaziele, als sie die Landesregierung bisher vorgesehen hatte. Das Quorum von 20 Prozent aller Wahlberechtigten wurde mit 303.936 Jastimmen erreicht, die Wahlbeteiligung lag bei 43,7 Prozent.
Der Gesetzentwurf, eingebracht von einer zivilgesellschaftlichen Initiative, verpflichtet die Hansestadt nun dazu, verbindliche CO₂-Reduktionsziele einzuführen und bereits bis 2040 klimaneutral zu werden. Bislang galt das Zieljahr 2045. Zugleich sollen künftige Klimamaßnahmen einer Sozialverträglichkeitsprüfung unterzogen werden.
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) kündigte an, den Volksentscheid umzusetzen: „Wir werden das Ergebnis selbstverständlich respektieren und die notwendigen Schritte in die Wege leiten.“ Zugleich warnte er, ein früheres Zieljahr sei „nur erreichbar, wenn der Bund die entsprechenden Rahmenbedingungen schafft“.
Für die Initiatoren war das Ergebnis ein Triumph. „Hamburg hat sich sein eigenes Klimagesetz gegeben – das ist ein gewaltiger Erfolg“, erklärten sie. Unterstützt wurde die Initiative von Umweltverbänden wie Greenpeace, der Gewerkschaft Verdi sowie kirchlichen und kulturellen Einrichtungen.
Kritik kam dagegen aus Wirtschaft und Politik. SPD-Landeschefin Melanie Leonhard sprach von „erheblichen Anstrengungen“, die auf Bürger und Unternehmen zukämen. CDU-Fraktionschef Dennis Thering bezeichnete den Tag als „bitter“ und warnte vor negativen Folgen für den Standort. AfD-Chef Dirk Nockemann sprach von einer „klimapolitischen Ideologie“, während Grünen-Landeschef Leon Alam das Ergebnis als „großen Erfolg für den Klimaschutz“ feierte.
Parallel scheiterte ein zweiter Volksentscheid über ein Modellprojekt zum bedingungslosen Grundeinkommen deutlich. 62,6 Prozent der Wähler lehnten den Vorschlag ab. Die Initiatoren erklärten dennoch, sie hätten „eine wichtige Debatte angestoßen“. ozd
OZD-Kommentar:
Hamburg hat Mut bewiesen – und die politische Verantwortung dorthin
verlagert, wo sie hingehört: zu den Bürgern. Das Votum für ehrgeizigere
Klimaziele ist ein Weckruf an alle, die glauben, Klimaschutz sei ein
Luxusprojekt. Doch der Weg nach 2040 wird hart. Zwischen Ideal und
Realität klafft eine Lücke, die nur mit Investitionen, sozialem
Ausgleich und politischem Mut zu schließen ist. Wer jetzt bremst,
riskiert Glaubwürdigkeit – wer handelt, könnte Hamburg zum Vorreiter
machen. Der Ausgang beim Grundeinkommen zeigt zugleich: Die Bürger
wollen Wandel, aber mit Augenmaß.
Mini-Infobox:
Ergebnis Klimavotum: 53,2 % Ja-Stimmen
Ziel: Klimaneutralität bis 2040
Quorum: 20 % erreicht (303.936 Ja-Stimmen)
Beteiligung: 43,7 %
Parallelentscheid: Grundeinkommen mit 62,6 % Nein gescheitert
OZD-Analyse:
Politische Signalwirkung
– a) Hamburg ist das erste Bundesland mit einem bürgerbeschlossenen Klimagesetz.
– b) Der Volksentscheid bindet Senat und Bürgerschaft rechtlich.
– c) Das Ergebnis zeigt ein wachsendes Umweltbewusstsein der Bevölkerung.
Herausforderungen für den Senat
– a) Umsetzung bis 2040 erfordert Milliardeninvestitionen.
– b) Sozialverträglichkeit muss gewährleistet werden.
– c) Wirtschaft und Wohnungsbau werden entscheidende Faktoren.
Gesellschaftliche Dimension
– a) Umweltverbände und Gewerkschaften bejubeln die Entscheidung.
– b) Wirtschaft warnt vor Standortrisiken.
– c) Scheitern des Grundeinkommens zeigt Grenzen direkter Demokratie.
Wer ist Peter Tschentscher?
Peter Tschentscher (SPD) ist seit 2018 Erster Bürgermeister der Freien
und Hansestadt Hamburg. Der studierte Mediziner gilt als pragmatischer
Realpolitiker und steht für eine wirtschaftsnahe Klimapolitik, die auf
technologische Innovationen setzt.
Was ist ein Volksentscheid in Hamburg?
Ein Volksentscheid ist ein direktdemokratisches Instrument, mit dem
Bürgerinnen und Bürger Gesetzesänderungen selbst beschließen können.
Voraussetzung ist ein erfolgreiches Volksbegehren und das Erreichen
eines Quorums von 20 Prozent aller Wahlberechtigten.
OZD-Extras:
Fun-Fact: Hamburg war
bereits 2013 Vorreiter direkter Demokratie – damals stimmten die Bürger
für die Rekommunalisierung des Stromnetzes, ebenfalls gegen den Willen
des Senats.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
