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Koalition plant Einschränkung des Verbandsklagerechts

Für schnellere Infrastrukturprojekte will die Koalition das Umweltverbandsklagerecht einschränken – ein Schritt, der sofort heftige Kritik auslöst.

Brisante Abkürzung: Infrastruktur beschleunigen um jeden Preis?

Die Bundesregierung will Straßen, Schienen und Brücken deutlich schneller ausbauen – und dafür das Umweltverbandsklagerecht beschneiden. Kanzler Friedrich Merz begründete den Schritt mit dem Hinweis, Naturschutz dürfe notwendige Infrastruktur nicht länger durch „endlose Verfahren“ blockieren. Laut Beschlusspapier sollen künftig klarere Regeln gelten, etwa zur Streitbeilegung und zum Wegfall der aufschiebenden Wirkung. Klagen sollen nur noch zulässig sein, wenn sich die betreffende Vereinigung bereits im Verwaltungsverfahren beteiligt hat.

Ein entsprechender Gesetzesentwurf soll bis spätestens 28. Februar 2026 vorliegen. Die Koalition betrachtet die Regel als Schutz vor Missbrauch und als Beschleuniger wichtiger Projekte. CSU-Chef Markus Söder sprach von einem „großen Schritt voran“ und kritisierte, dass „irgendwelche NGOs von ganz woanders“ Projekte bislang im Nachhinein blockieren konnten.

Umweltverbände reagierten scharf. Die Deutsche Umwelthilfe sprach von einem eklatanten Verstoß gegen EuGH-Recht. Auch WWF und Greenpeace warnten, die Regierung schneide Verbänden ihre europarechtlich garantierte Rolle als Anwälte der Natur ab. Sie fürchten, dass Natur- und Artenschutz bei großen Projekten künftig nur noch eine Nebenrolle spielen.

Historische Mahnung: Der Fall Waldschlößchen-Brücke
Der Streit um die Dresdner Waldschlößchen-Brücke zeigt exemplarisch, wie komplex Abwägungen zwischen Infrastruktur und Naturschutz sind. Trotz Klagen wegen der bedrohten Fledermausart Kleine Hufeisennase wurde die Brücke gebaut – mit dem Verlust des Unesco-Welterbetitels. Kritiker sehen darin ein Beispiel, wie politischer Druck langfristige Folgen haben kann.

Was die Koalition zusätzlich plant
Das Ergebnispapier kündigt ein umfassendes „Infrastruktur-Zukunftsgesetz“ an. Vorhaben wie Engpassbeseitigungen im Bundesverkehrswegenetz, vierstreifige Straßenneubauten, Ersatzneubauten von Brücken, Wasserstraßenprojekte sowie zusätzliche Lkw-Parkplätze sollen in das „überragende öffentliche Interesse“ gestellt werden. Zudem sollen Bahnstrecken bis 60 Kilometer künftig ohne Umweltverträglichkeitsprüfung elektrifiziert werden. Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder erwartet davon weniger Stau, stabilere Lieferketten und Vorteile für die Wirtschaft.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie lobte den Kurs als „wichtigen Schritt“. Gleichzeitig fordert der BDI, Beschleunigungsmaßnahmen künftig auch auf Industrieanlagen auszuweiten. Dem widersprechen Naturschutzorganisationen deutlich: WWF warnt vor einem klimapolitischen Rückschritt, Greenpeace kritisiert, die Regierung werfe Natur- und Klimaschutz „vor die Asphaltiermaschine“.

Kommentar: Beschleunigung braucht Grenzen
Die Modernisierung der Infrastruktur ist unstrittig notwendig. Doch die weitreichende Einschränkung des Verbandsklagerechts birgt erhebliche Risiken: Rechtsschutz wird begrenzt, während Projekte pauschal ins überragende öffentliche Interesse gehoben werden – auch fossile. Beschleunigung darf nicht zur Entwertung umweltrechtlicher Mindeststandards führen. Eine leistungsfähige Bahn und intakte Naturflächen sind integrale Teile der Zukunftsfähigkeit, nicht ihre Gegensätze.

 OZD

Alle Angaben ohne Gewähr.
Bild: AFP