Die Wahl Annalena Baerbocks zur Präsidentin der UN-Vollversammlung ist mehr als nur eine prestigeträchtige Auszeichnung für die frühere Bundesaußenministerin. Sie markiert einen politischen Kraftakt in einer Zeit multipler globaler Krisen – und zeigt zugleich die Bruchlinien, die durch die internationale Diplomatie verlaufen.
Dass Russland – unterstützt von Belarus – die ansonsten rein formelle Wahl durch einen Antrag auf geheime Abstimmung zu einem politischen Signal umdeutete, zeigt: Baerbocks Kritik an Moskaus Kriegspolitik sitzt tief. Auch wenn sie die Vorgänge diplomatisch herunterspielte, bleibt festzuhalten: Die UN bleibt ein Spiegel der weltpolitischen Spannungen – und diese spiegeln sich nun auch in ihrer Personalpolitik.
Dass Baerbock intern in Konkurrenz zu Helga Schmid trat, ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Wahl nicht nur außenpolitisch brisant war. Mit ihrer demonstrativen Kampfansage für Gleichberechtigung in höchsten UN-Ämtern – inklusive eines dezent formulierten Interesses am Generalsekretärsposten – setzt sie sich selbst unter Erwartungsdruck. Ihre Präsidentschaft wird ein Drahtseilakt zwischen neutraler Vermittlerin und politischer Gestalterin.
Eines steht bereits jetzt fest: Die Personalie Baerbock ist ein Signal – an Russland, an die UNO und an künftige Generationen von Führungspersönlichkeiten. Ob es ein nachhaltiges wird, hängt nicht zuletzt davon ab, ob es ihr gelingt, die tiefen Gräben innerhalb der Staatengemeinschaft zu überbrücken – und sich nicht im politischen Gegenwind zu verlieren.
OZD
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