In ihrem am Donnerstag vorgelegten Gutachten erklärte sie, die Klage der EU-Kommission gegen Ungarn sei in allen Punkten begründet. Zwar ist das Gutachten kein Urteil, doch folgen die Richterinnen und Richter in vielen Fällen der Einschätzung der Generalanwaltschaft. (Az. C-769/22)
Das Gesetz, das die Darstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und transidenter Menschen in Medien wie Fernsehen und Büchern stark einschränkt, soll laut ungarischer Regierung dem Schutz Minderjähriger dienen. Inhalte müssen mit Warnhinweisen versehen werden und dürfen nicht zur Hauptsendezeit gezeigt werden. Kritiker sehen darin ein gezieltes Vorgehen gegen queere Menschen. Auch Capeta wies die Argumentation Budapests zurück: Das Gesetz ziele nicht auf den Schutz vor pornografischen Inhalten – diese seien ohnehin schon verboten –, sondern stelle das Leben queerer Menschen als weniger wertvoll dar.
Die Generalanwältin argumentierte, das Gesetz verletze unter anderem die Dienstleistungsfreiheit und zentrale Grundrechte: das Diskriminierungsverbot, das Recht auf Achtung des Privatlebens, Meinungs- und Informationsfreiheit sowie die Menschenwürde. Dies sei mit den Werten der EU nicht vereinbar. Capeta rief den Gerichtshof dazu auf, einen Verstoß gegen Artikel 2 des EU-Vertrags festzustellen. Diese Norm schützt die Achtung der Menschenwürde, Gleichheit und die Wahrung der Menschenrechte.
Die EU-Kommission hatte nach Verabschiedung des Gesetzes ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet. Unterstützung erhielt sie von 16 Mitgliedsstaaten sowie dem Europaparlament. Deutschland gehört zu den Ländern, die sich der Klage angeschlossen haben. Erst vergangene Woche forderten 17 EU-Staaten ein konsequenteres Vorgehen gegen die LGBTQ-Politik Ungarns – insbesondere gegen ein neues Gesetz, das als Grundlage für ein Verbot der Pride-Parade in Budapest dienen könnte.
Kommentar:
Die Schlussanträge der Generalanwältin zeigen deutlich, wie sehr das ungarische Gesetz im Widerspruch zu den gemeinsamen Werten der Europäischen Union steht. Was von der Regierung in Budapest als Jugendschutz bezeichnet wird, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als systematische Ausgrenzung queerer Menschen. In einer Gemeinschaft, die sich auf Menschenwürde, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit gründet, sind solche Diskriminierungen nicht tolerierbar. Der Europäische Gerichtshof steht nun vor der Aufgabe, klare Grenzen zu ziehen – auch, um ein Zeichen an andere Staaten zu senden, dass fundamentale Freiheitsrechte innerhalb der EU nicht zur Disposition stehen.
OZD
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