Kaum ist die Waffenruhe zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas in Kraft, richtet sich der Blick auf die nächste Herausforderung: die Versorgung von Millionen notleidender Menschen im Gazastreifen. Das Welternährungsprogramm (WFP) forderte am Samstag „schnelle und ungehinderte Hilfslieferungen“. „Für die Menschen in Gaza ist dieser Moment überlebenswichtig“, sagte WFP-Deutschlandchef Martin Frick den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.
Auch andere internationale Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen (MSF) und der Norwegische Flüchtlingsrat erklärten sich bereit, ihre Lieferungen massiv auszuweiten. „Die Menschen brauchen jetzt das Allernötigste – Nahrung, Wasser, Medikamente, Treibstoff und sichere Unterkünfte“, mahnte MSF-Vertreter Jacob Granger. Rund zwei Millionen Menschen stünden vor einem Winter ohne Dach über dem Kopf.
Die Vereinten Nationen hatten bereits im August offiziell eine Hungersnot in Teilen des Gazastreifens festgestellt – 500.000 Menschen seien akut betroffen. Israel hatte den Bericht zunächst kritisiert, genehmigte nun jedoch laut UN-Angaben die Lieferung von 170.000 Tonnen Hilfsgütern in den ersten 60 Tagen nach der Waffenruhe.
US-Präsident Donald Trump zeigte sich überzeugt, dass die am Freitagmittag in Kraft getretene Feuerpause halten werde. „Sie wird halten. Ich denke, sie wird halten. Alle sind müde vom Kämpfen“, sagte er in Washington. Zwar gebe es noch einige kleinere Konfliktherde, „doch diese Brände werden sehr schnell gelöscht werden“, fügte er hinzu.
Trump bestätigte außerdem seine Reisepläne nach Israel und Ägypten. Am Montag wolle er in Kairo mit mehreren Staatschefs über die Zukunft des Gazastreifens sprechen. Auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) wurde vom ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi zu den Feierlichkeiten eingeladen und plant laut Berliner Regierungskreisen, an dem Treffen teilzunehmen.
Der Waffenstillstand markiert die erste Phase des von Trump vermittelten Friedensplans: Israel und die Hamas hatten sich darauf geeinigt, binnen 72 Stunden alle verbliebenen israelischen Geiseln freizulassen. Im Gegenzug sollen fast 2000 palästinensische Häftlinge aus israelischer Haft entlassen werden. Die israelische Armee zog sich wie vereinbart aus mehreren Gebieten des Gazastreifens zurück.
Seit dem Inkrafttreten der Waffenruhe kehren zehntausende Vertriebene in ihre Heimat zurück. Allein in der Stadt Gaza trafen nach Angaben des Hamas-Zivilschutzes bis Samstagmittag rund 250.000 Menschen ein – in der Hoffnung auf einen Neuanfang nach zwei Jahren Krieg. ozd
OZD-Kommentar: Wird Netanjahu die Waffenruhe einhalten?
Der Waffenstillstand ist kein Frieden – aber ein Atemzug inmitten des
Trümmerstaubs. Die Bilder aus Gaza zeigen erschöpfte Menschen, die mit
wenigen Habseligkeiten heimkehren, um in zerstörte Straßen
zurückzukehren. Nun entscheidet sich, ob die Weltgemeinschaft gelernt
hat: dass Waffenruhen nichts wert sind, wenn der Hunger stärker ist als
die Hoffnung. Die UN-Hilfen dürfen nicht im diplomatischen Nebel
versanden. Es geht nicht um Politik, sondern ums nackte Überleben. Wir glauben nicht , dass die Waffenruhe bleibt, sondern das Israel unter falschen Angaben diese wieder brechen wird, damit sich Netanjahu vor der Verantwortung drücken kann.

Mini-Infobox:
Waffenruhe: Seit Freitagmittag in Kraft
Hilfsbedarf: Rund 2 Mio. Menschen betroffen
UN-Angabe: 500.000 Menschen in akuter Hungersnot
Geplante Lieferungen: 170.000 Tonnen Hilfsgüter in 60 Tagen
Trump & Merz: Treffen in Ägypten geplant
OZD-Analyse:
Humanitäre Lage
– a) Hunger, zerstörte Infrastruktur, keine Unterkünfte.
– b) Gefahr eines humanitären Kollapses ohne sofortige Hilfe.
– c) UN und NGOs drängen auf koordinierte Hilfskorridore.
Politische Dimension
– a) Trump nutzt Waffenruhe als außenpolitischen Triumph.
– b) Merz’ geplante Teilnahme soll Deutschlands Engagement betonen.
– c) Israel und Hamas stehen unter internationalem Druck, Vereinbarungen einzuhalten.
Zukunft des Gazastreifens
– a) Friedensplan sieht Entwaffnung der Hamas und Übergangsregierung vor.
– b) Rückkehr der Bevölkerung als Test für Stabilität.
– c) Internationale Hilfe als Schlüssel für langfristigen Frieden.
Was ist das Welternährungsprogramm (WFP)?
Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen ist die weltweit
größte humanitäre Organisation zur Bekämpfung von Hunger. Es versorgt
jedes Jahr über 100 Millionen Menschen mit Nahrungsmitteln und leistet
Katastrophenhilfe in Krisenregionen.
Was ist das UN-Büro für humanitäre Fragen (Ocha)?
Ocha koordiniert die internationalen Hilfsmaßnahmen der Vereinten
Nationen bei Krisen, Konflikten und Naturkatastrophen. Ziel ist es,
schnelle und abgestimmte Hilfe zu gewährleisten – auch in schwer
zugänglichen Gebieten wie dem Gazastreifen.
OZD-Extras:
Bonus: Laut
UN-Angaben stammen rund 80 % der Hilfslieferungen für den Gazastreifen
aus Ägypten – ein Grund, warum Kairo bei allen Friedensverhandlungen
eine zentrale Rolle spielt.**
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.