Jerusalem. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat die für Montag erwartete Freilassung der noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln als „historisches Ereignis“ bezeichnet. In einer emotionalen Fernsehansprache sprach er am Sonntagabend von einem „Tag der Freude und der Trauer zugleich“.
„Dieses Ereignis ist begleitet von Freude über die Rückkehr unserer Söhne und Töchter – und von Trauer über die Freilassung von Mördern“, sagte Netanjahu mit Blick auf die rund 2000 palästinensischen Gefangenen, die im Gegenzug freikommen sollen.
Ein Aufruf zur Einheit – trotz tiefer Spaltung
In seiner Ansprache rief der Premier ein von politischen Spannungen zerrissenes Land zur Einheit auf. „Ich weiß, dass mein Vorgehen im Gaza-Krieg umstritten war“, sagte Netanjahu. „Aber die Freilassung der Geiseln soll ein Moment der Gemeinsamkeit sein – ein Neuanfang, ein Weg der Heilung.“
Gleichzeitig bleibt Israel tief gespalten. Während Familien der Geiseln Erleichterung zeigen, empfinden Angehörige von Terroropfern die bevorstehende Entlassung Hunderter verurteilter Attentäter als bitteren Preis für den Frieden.
Der Preis des Friedens
Die Freilassung erfolgt im Rahmen der ersten Phase eines von US-Präsident Donald Trump vermittelten Friedensplans.
Zwei Jahre nach dem verheerenden Hamas-Angriff vom 7. Oktober 2023, der den Gaza-Krieg auslöste, gilt seit Freitag eine fragile Waffenruhe.
Nach israelischen Regierungsangaben sollen in der Nacht zum Montag 20 Geiseln lebend freikommen, während 27 weitere als tot gelten. Im Gegenzug werden etwa 2000 palästinensische Häftlinge entlassen – rund 1700 davon aus dem Gazastreifen, viele erst während der jüngsten Kämpfe festgenommen.
Erinnerung an den 7. Oktober – und eine Mahnung
Der Angriff der Hamas auf Israel vor zwei Jahren hatte über 1200 Israelis das Leben gekostet und das Land tief erschüttert. Netanjahu sprach nun von „großen Erfolgen im Kampf gegen den Terror“, warnte jedoch:
„Der Kampf ist noch nicht vorbei. Unsere Feinde wollen ihre Stärke zurückgewinnen, um uns erneut anzugreifen.“
Israels Sicherheit bleibt brüchig – selbst in einem Moment, der eigentlich Erleichterung bringen sollte.
Kommentar: Hoffnung mit Narben
Die bevorstehende Freilassung der Geiseln ist mehr als ein politisches Abkommen – sie ist ein kollektiver Moment zwischen Hoffnung und Schmerz. Für die Familien der Rückkehrer bedeutet sie das Ende eines Albtraums. Für viele andere ist sie ein Kompromiss, der Wunden neu aufreißt.
Netanjahu nennt es den Beginn eines neuen Weges. Doch dieser Weg führt durch ein zerrissenes Land – und verlangt, dass Israel die Balance zwischen Gerechtigkeit, Menschlichkeit und Sicherheit neu findet.
Dieser Montag wird in Israels Geschichte bleiben – als Tag der Freude, der Trauer und der schwierigen Versöhnung.
OZD
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Bild: AFP