Die CDU ringt um ihren Kurs in der Syrien-Frage: Außenminister Johann Wadephul steht nach seinen Äußerungen zur eingeschränkten Rückkehr syrischer Geflüchteter unter Druck aus den eigenen Reihen. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bekräftigte am Montag, die Bundesregierung wolle weiter an Abschiebungen festhalten. Wadephul hatte zuvor bei einem Besuch in Damaskus erklärt, Rückführungen seien „derzeit nur sehr eingeschränkt möglich“, da große Teile der Infrastruktur zerstört seien.
„Die Situation ist glasklar“, entgegnete Linnemann bei RTL und ntv. „Straftäter müssen abgeschoben werden, und auch Kriegsflüchtlinge müssen den Weg zurück nach Syrien finden – zumindest da, wo es geht.“ Nach einem Telefonat mit Wadephul sprach er von „Einigkeit im Kurs“.
Doch mehrere CDU-Politiker gingen weiter: Fraktionsvize Günter Krings erklärte, der syrische Bürgerkrieg sei vorbei, „und in weite Teile des Landes ist für die allermeisten ausgereisten Syrer eine Rückkehr nun möglich und zumutbar“. Ähnlich äußerte sich Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze, der „eine Strategie zur schnellen Rückkehr“ forderte. Baden-Württembergs CDU-Chef Manuel Hagel sagte, humanitärer Schutz sei „kein Daueraufenthaltsrecht, sondern Schutz auf Zeit“.
Zustimmung für Wadephul kam dagegen aus SPD, Grünen und Linken. SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf nannte seine Haltung „sehr ausgewogen“. Grünen-Chefin Franziska Brantner zeigte sich „beunruhigt“ über den parteiinternen Gegenwind: „Wadephul war vor Ort und sieht, dass Syrien ein zerstörtes Land ist.“ Linken-Chef Jan van Aken lobte die „Realitätssicht“ des Ministers, während AfD-Chefin Alice Weidel der CDU eine „Abschiebungsverweigerung“ vorwarf.
Ein Sprecher der Bundesregierung bemühte sich um Schadensbegrenzung. „Inhaltlich gibt es keinen Widerspruch“, sagte Vize-Regierungssprecher Steffen Meyer. Rückführungen syrischer Straftäter blieben langfristig Ziel, „wenn es rechtlich möglich ist“.
OZD
OZD-Kommentar:
Wadephul wagt, was in der CDU derzeit kaum einer tut: Er widerspricht der parteiinternen Abschiebungsrhetorik – und das mit Fakten. Sein Dilemma ist politisch wie moralisch. Wer in Syrien war, sieht kein Land der sicheren Rückkehr, sondern Ruinen und Repression. Doch Teile der Union wollen Härte zeigen, koste es, was es wolle. Das ist Symbolpolitik für Schlagzeilen, keine Sicherheitsstrategie. In Wahrheit zeigt die Debatte, wie sehr die CDU zwischen Realitätssinn und populistischem Reflex schwankt.

Mini-Infobox:
– Wadephul: Rückkehr nach Syrien nur „eingeschränkt möglich“
– CDU-Generalsekretär Linnemann: Abschiebungen fortsetzen
– Krings & Schulze: Rückkehr „zumutbar“
– SPD, Grüne & Linke unterstützen Wadephul
– Bundesregierung: „Kein inhaltlicher Dissens“
OZD-Analyse
Innenpolitische Sprengkraft
– Die CDU sucht ihr Profil zwischen Realpolitik und rechter Flanke.
– Wadephuls Vorsicht trifft auf den Wunsch vieler Parteikollegen nach Härte.
– Das Thema wird zur Machtfrage in der Union – und zum Testfall für Regierungsstabilität.
Syrien bleibt instabil
a) Große Teile des Landes sind weiter zerstört, Infrastruktur kaum funktionsfähig.
– Rückkehrprogramme könnten Geflüchtete gefährden.
b) Internationale Organisationen warnen vor Verhaftungen und Gewalt in Assad-Gebieten.
– Eine sichere Heimkehr bleibt für viele Illusion.
Koalitionspolitische Dimension
– SPD und Grüne stärken Wadephul indirekt den Rücken.
– CSU-Innenminister Dobrindt drängt auf Umsetzung des Koalitionsvertrags.
– Die Bundesregierung versucht, Einheit zu demonstrieren, während Bruchlinien offenliegen.

Wer ist Johann Wadephul?
Johann David Wadephul, geboren 1963, ist seit 2025 Bundesaußenminister der Bundesrepublik Deutschland und Mitglied der CDU. Der Jurist aus Schleswig-Holstein war zuvor stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und gilt als transatlantisch orientierter Außenpolitiker. Seine moderate Haltung in der Flüchtlingsfrage sorgt innerhalb der Partei regelmäßig für Kontroversen.
Was ist die Syrien-Abschiebungsdebatte?
Die Diskussion über Abschiebungen nach Syrien wird seit Jahren geführt. Nach dem Ende der aktiven Kampfhandlungen fordern konservative Politiker Rückführungen, während Menschenrechtsorganisationen auf Folter, Verfolgung und zerstörte Infrastruktur hinweisen. Deutschland hatte 2012 einen Abschiebestopp verhängt, der seither nur teilweise aufgehoben wurde.
OZD-Extras
Bonus-Info: Laut UNHCR sind über 6,8 Millionen Syrer weiterhin auf der Flucht – mehr als die Hälfte von ihnen lebt außerhalb ihres Heimatlandes.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.