Mit konzentriertem Blick und leiser Stimme spricht Florian Lipowitz über das große Ziel, das zum Greifen nah scheint – ein Podiumsplatz bei der Tour de France. „Wir müssen fokussiert bleiben, dann hoffe ich, dass wir es ins Ziel bringen“, sagte der 24-jährige Ulmer im Trikot des deutschen Rennstalls Red Bull-Bora-hansgrohe der ARD. Zwei Etappen vor dem Ziel in Paris liegt Lipowitz auf dem dritten Gesamtrang – und will diesen historischen Erfolg nun vollenden.
Nach einem kleinen Einbruch auf der Königsetappe am Donnerstag zeigte Lipowitz am Freitag eine beeindruckende Reaktion: Auf dem 19. Teilstück ließ er seinen direkten Verfolger Oscar Onley aus Großbritannien wieder hinter sich und baute den Vorsprung auf 1:03 Minuten aus. Es war ein starkes Signal – nicht nur an die Konkurrenz, sondern auch an sich selbst.
„Diese Tour ist für mich unglaublich, aber morgen ist noch ein harter Tag mit viel Auf und Ab“, sagte Lipowitz mit Blick auf die 20. Etappe am Samstag. Die Strecke führt über 184,2 Kilometer hügeliges Terrain, das viele Angriffsmöglichkeiten bietet – vor allem für den angriffslustigen Onley, der in der Nachwuchswertung ebenfalls hinter Lipowitz liegt.
Große Zeitgewinne sind auf der vorletzten Etappe allerdings nicht leicht zu erzielen. Und die abschließende Schlussetappe nach Paris mit ihren drei Überquerungen des Montmartre wird traditionell nicht für Klassementsveränderungen genutzt. Sollte Lipowitz durchhalten, wäre er der erste Deutsche auf dem Podium der Tour de France seit Andreas Klöden im Jahr 2006 – eine Leistung, die ihm selbst nicht ganz präsent war. „Ich schätze, Jan Ullrich“, antwortete Lipowitz auf die Frage, wer der letzte Deutsche auf dem Podium gewesen sei. Nach der Aufklärung schmunzelte er: „Das ist schon eine ganze Weile her.“
Mit Ruhe, Mut und einem fokussierten Team im Rücken hat Lipowitz die vielleicht größte Chance seiner bisherigen Karriere. Paris ist nur noch zwei Etappen entfernt – und mit ihm ein Stück deutscher Radsportgeschichte.
OZD
OZD-Kommentar:
Florian Lipowitz ist die Überraschung dieser Tour – und vielleicht der wichtigste Hoffnungsträger des deutschen Radsports seit Jahren. Während die Superstars Pogacar und Vingegaard das Duell um Gelb unter sich ausmachen, fährt der Ulmer konstant, klug und mit erstaunlicher Reife auf das Podium zu. Was ihn von anderen unterscheidet? Er attackiert, wenn es sein muss, leidet, wenn es nötig ist – und denkt trotzdem nicht an sich als Held. Dass er selbst nicht wusste, dass Andreas Klöden der letzte deutsche Podiumsfahrer war, zeigt vor allem eines: Lipowitz fährt nicht für Statistiken, sondern aus Leidenschaft. Doch die Gefahr ist real: Noch zwei Etappen, ein starker Onley im Nacken – und ein Tag, der voller Taktik und Tempo stecken könnte. Wenn Lipowitz das Podium tatsächlich „ins Ziel bringt“, schreibt er Geschichte. Und macht dem deutschen Radsport ein Geschenk, das lange keiner mehr liefern konnte.
Lesermeinungen:
„Lipowitz ist endlich wieder einer, der sich nicht versteckt. Kämpfen statt rechnen – genau das macht ihn so sympathisch!“ Train
„Ob er Dritter wird oder Vierter – für mich ist er der große Gewinner dieser Tour.“ Sabine .M.
„Ich hoffe, Bora schützt ihn bis Paris. Es wäre großartig, wieder einen Deutschen auf dem Treppchen zu sehen!“ Live
OZD-Analyse
1. Die Ausgangslage vor den letzten Etappen
– Florian Lipowitz liegt auf Rang drei der Gesamtwertung.
– Vorsprung auf Oscar Onley: 1:03 Minuten.
– Nur zwei Etappen bleiben bis zum Zieleinlauf in Paris.
2. Etappe 20 – das letzte Risiko
a) Streckenprofil:
– 184,2 km, hügeliges Terrain.
– Viele kurze Anstiege, prädestiniert für Attacken.
b) Strategische Herausforderung:
– Team Bora muss Lipowitz schützen.
– Onley wird versuchen, auf Zeit zu fahren – möglicherweise mit Teamtaktik.
3. Etappe 21 – Schaulaufen oder Scharfschuss?
– Traditionell ein Prestige-Sprint in Paris.
– Drei Überquerungen des Montmartre sorgen für ungewohnte Spannung.
– Klassementsveränderungen jedoch sehr unwahrscheinlich.
4. Bedeutung für den deutschen Radsport
– Letzter Podiumsplatz eines Deutschen: Andreas Klöden 2006.
– Rückkehr ins Rampenlicht nach Jahren der Flaute.
– Symbolischer Sieg für Bora-hansgrohe und den Nachwuchs in Deutschland.
5. Florian Lipowitz – mehr als ein Talent
– Der 24-Jährige ist kämpferisch, taktisch clever und bescheiden.
– Führt auch die Nachwuchswertung vor Onley an.
– Mögliches neues Gesicht des deutschen Radsports in der Nach-Ullrich-Ära.
Wer ist Florian Lipowitz?
Florian Lipowitz ist ein deutscher Radprofi aus Ulm und fährt für das Team Red Bull-Bora-hansgrohe. Der 24-Jährige ist ausgebildeter Biathlet und wurde erst spät zum Profi im Straßenradsport. Bei der Tour de France 2025 gelang ihm der internationale Durchbruch – mit der Aussicht auf den ersten Podiumsplatz eines Deutschen seit fast zwei Jahrzehnten.
Was ist die Tour de France?
Die Tour de France ist das bekannteste und prestigeträchtigste Radrennen der Welt. Es findet jährlich im Juli statt, umfasst 21 Etappen über rund drei Wochen und gilt als sportlicher wie logistischer Kraftakt. Neben dem prestigeträchtigen Gelben Trikot für den Gesamtsieger werden auch Wertungen für den besten Nachwuchsfahrer, den besten Bergfahrer und das Punktetrikot vergeben.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
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